Weihnachtsgeschichte

Es war am 4.12.93, als wir nach Deutschland kamen. Dort tobte der Krieg und wir hatten die schlimmsten Sachen erlebt, die wir vorher nur aus den Büchern, den Nachrichten und von den Erzählungen unserer Eltern kannten. Und plötzlich mussten wir alles auf der eigenen Haut erfahren.

Angst, Kälte, Hunger, Ungewissheit und das Schlimmste, die Unmöglichkeit, die Lieblinge, eigene Kinder zu ernähren und zu beschützen, die Alten, die Schwachen zu trösten.

Und dann, Ankunft nach Deutschland, zu unbekannten Leuten, die uns ein neues Heim gegeben haben, verlorene Hoffnung wieder für uns gefunden haben. Das war das Spiel des Schicksals. Wir mussten aus eigener Stadt flüchten, von eigenen „Freunden” weggehen, und dann haben wir in einem fremden Land, in einer unbekannten Stadt, bei den Menschen, deren Sprache wir nicht verstehen konnten, neues Licht und neuen Sinn für das weitere Leben gefunden.

Und Aachen, Aachen war schön, feierlich geschmückt, unbesorgte Kindergesichter, Lachen. Es war eine schöne Weihnachtsatmosphäre. Unsere neuen Freunde zeigten uns die Stadt, Aachener Dom, Rathaus. Für uns sah alles unrealistisch aus. Wie ein Märchen. Nach der mehrjährigen Dunkelheit und Leid plötzlich etwas so Schönes, dass wir dachten es sei ein Traum. Mein damals 10-jähriger Sohn und 15-jährige Tochter lachten unbesorgt und unschuldig und sie freuten sich wieder. Duft vom Glühwein und Zimt, Karussellmusik und die Hoffnung.

Diese erste Weihnacht in Aachen duftete für uns nach Freiheit und nach einer besseren, glücklicheren Zukunft.

[Geschrieben am 15.12.1993; hier veröffentlicht im März 2015.]


 

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