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Das Haus, das seinen Besitzer verlor

Der Reiz des Hauses besteht in seiner Lage. Diese Lage gehört zum Besten, was die Stadt Aachen zu bieten hat. Schon die Römer badeten in der Nachbarschaft und heute blinzelt das Münster bei gutem Wetter um die Ecke.

Der Besitzer ist gestorben. Er lebte schon lange allein in diesem Haus und eines Tages fiel er hin und konnte nicht mehr aufstehen. Als er nach drei Tagen gefunden wurde, unterkühlt bis in die Zehenspitzen, kam er in die Klinik. Das Krankenbett wurde sein Sterbelager.

Seine Verwandten sind unbekannt, die Eltern sind lange verstorben, der Bruder gefallen.

Das Haus ist jetzt so tot wie sein Besitzer. Es ist ziemlich heruntergekommen. Das Neueste dort ist die Wäsche in den Schränken. Es steht auf festem Grund. Ein tiefes Kellergewölbe sorgt für Standfestigkeit. Die beiden Giebel lehnen sich an die Nachbarhäuser. Der Hof ist mit einem Lagerhaus überbaut. Die alten Fenster auf der Rückseite sind zugemauert und mit Pappe abgedichtet. Licht ist knapp dort hinten.

Das Linoleum auf den Treppenstufen wirft Wellen. Die Läufer und Teppiche zeigen die Spuren der Benutzung bis auf die Kette.

Das Bett des Fremdenzimmers ist mit Zeitungen abgedeckt. Hier hat lange niemand mehr geschlafen. Der Raum neben dem Wohnzimmer sollte einmal renoviert werden. Eine alte Leiter steht an der Wand. Die Löcher in der Decke und in den Wänden sind zu geputzt. Der Boden zeigt die Benutzungsspuren, die der Maler hinterlassen hat.

Die Möbel im Wohnzimmer sind aus den 50ziger Jahren. Schönes Porzellan gibt es in Einzelstücken, ein Kaffeeservice aus Meißen. Die Tapete zeigt stilisierte Lilien in blau. Der Untergrund ist vergilbt; es könnte Gold gewesen sein.

Spieluhren stehen im Büro, im Wohnzimmer und im Schlafzimmer. Das Lied von der Waterkant zittert dünn durch den Raum. Hans Albers sang es einmal. Es klingt unwirklich hier in der Stille.

Sein Einkommen hat zu einem sparsamen Leben ausgereicht. Sparsam war er immer, der Besitzer, er war so erzogen. Er hat etwas fürs Alter zurückgelegt. Und jetzt ist er tot und braucht es nicht mehr.

Vielleicht gibt es doch ein Kind oder ein Enkelkind, irgendwo, es muss nur gefunden werden.

(2010)


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