Das Marianneninstitut und die Schweine

Ein echter Öcher  muss  im Marianneninstiut in Jakobstraße geboren und mit Pauwasser getauft worden sein! So oder ähnlich kann man es oft lesen.

Ich erblickte im Februar 1957 im altehrwürdigen Marianneninstiut das Licht der Welt und wurde in der Kapelle von St. Paul gleich nebenan getauft, ob mit Pauwasser oder anderem Wasser weiß ich nicht, aber im Namen St. Paul kommt Pau ja schließlich auch vor, und damit denke ich, dass ich „ene rechtege Öcher“ bin.

Wir verdanken Dr. Vitus Jakob  Metz diese Entbindungsanstalt in der Jakobstr. in der bis zum Jahr 1959 mehr als 40 000 Aachener und Aachenerinnen das Licht der Welt erblickten.  In seinem Werk „Das Marianneninstitut zu Aachen – Eine Entbindungsanstalt für arme Wöchnerinnen“ kann man viel über die Entstehung, die Fortbildung und das Wirken  des Instituts nachlesen. Das Werk wurde 1838 veröffentlich und war damals zum Preis von 7 ½ Groschen erhältlich.

Den Namen „Marianneninstitut“ verdanken wir „Ihrer königlichen Hoheit Prinzessin Marianne, Gemahlin seiner königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm von Preußen“, die das Institut in hohem Maße finanziell unterstützt hat.

Der Geburtshelfer Dr. Metz sah das Elend und die Armut der damaligen Bevölkerung, besonders in den Arbeitervierteln, und die Not der Wöchnerinnen, die oftmals unter ärmlichsten und unhygienischen Bedingungen ihre Kinder zur Welt bringen mussten, und es daher oft zu Todesfällen kam. Er wandte sich an die betuchte Aachener Bürgerschaft, speziell an die Frauen, die „zunächst hilfreiche Hand dazu boten, zur größten Ehre und zum schönsten Ruhme gereicht“.  Nach seinem Gründungsaufruf in Jahr 1830 an die wohltätigen Frauen der Stadt Aachen zur Unterstützung der armen Wöchnerinnen wurde ein Frauenverein gegründet, an dessen Spitze zunächst 4 Frauen standen:

  • Frau Regierungschef-Präsidentin von Reimann
  • Frau Regierungs-Vize-Präsidentin von Mallinckrodt
  • Frau Startz, Mitglied des Luisenordens und
  • Frau von Sartorius, geb. Freiin von Eynatten

Bereits in den ersten Tagen „gingen nicht unbedeutsame Geldsummen ein“ und bereits am 3.8.1830 (am Geburtstag des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preu0en) war feierliche Eröffnung des Instituts, zunächst in der Bendelstraße 20.

Welche Frauen wurden aber nun ins Marianneninstitut aufgenommen? „Zur Aufnahme in die Entbindungsanstalt eignen sich alle, ohne Unterschied der Religion, anerkannt bedürftige, tugendhafte, verheiratete Frauen. Unverheiratete Frauen werden nicht aufgenommen! Ebenso keine an einer ansteckenden Krankheit leidende.“

Die Verweildauer der Wöchnerinnen im Marianneninstitut war in der Regel 9 Tage, bei Erkrankung auch länger, bei kostenloser Pflege und Verpflegung für Mutter und Kind und kostenloser Kleidung für den Säugling.

Bereits im Gründungsjahr konnten 79 Wöchnerinnen aufgenommen werden, 82 Kinder erblickten das Licht der Welt (40 Knaben, 42 Mädchen), nur 3 im 7. Monat geborene Kinder starben, alle Mütter konnten gesund entlassen werden.

Bis zum Jahr 1838 entbanden hier insgesamt 976 Frauen, nur 4 davon starben.

Viele Namen von Mitgliedern des Frauenvereins finden wir heute noch in Aachener Straßennamen wieder, z.B.

  • Frau Geheimrat Dr. Monheim
  • Frau Cockerill
  • Frau von Coels
  • Frau von Görschen
  • Frau Hansemann
  • Frau Reumont  u.a.

Die Räumlichkeiten in der Bendelstraße wurden zu eng und klein, und das Marianneninstitut zog  im Jahr 1897 in die Jakobstraße 18 um, wo es bis zu seiner Auflösung blieb.

marianneninstitut

Hier in diesem Haus war zuvor eine „Selterwasserfabrik“ des Unternehmers Heinemann gewesen. Seit 1881 wurde von hier aus „Aachener Kaiserbrunnen“  vertrieben. Heinemann hatte das Haus vom Bierbrauer und Ratsherren Baltasar Quadflieg übernommen. Zu dieser Zeit hieß das Haus „Zum güldenen Verken“ oder „goldenden Verken“. Noch heute findet man die „Schweine“  über der Eingangstür des Hauses.

marianneninstitut2

Wen wundert es da noch, dass ich eine besondere Leidenschaft für Schweine entwickelt habe?! Die „Verken“ wurden mir schon in die Wiege gelegt! Ich sammele Schweine jeder Art, aus Plüsch, Stoff, Porzellan, Glas oder Keramik; als Kerzenhalter, Feuerzeug, Magnet, Tasche, Pantoffel … „Ich kann halt nicht dafür!!!“

Über 60 Jahre war hier im Haus „Zum Verken“ das Wöchnerinnen Asyl untergebracht.  Später wurde am Hintereingang am Annutiatenbach ein Extratrakt geschaffen, in dem auch unverheiratete Wöchnerinnen betreut wurden. Meine Mutter hat mir berichtet, dass die unverheirateten Frauen keinen Besuch von den Vätern ihrer Kinder bekommen durften. Wenn die Väter die Kinder sehen wollten, mussten sie draußen an den Fenstern hochklettern, um einen Blick auf ihre Kinder zu erhaschen. Das Entbindungshaus für die Unverheirateten hieß „Zuflucht“.

1959 schloss das Marianneninstitut für immer seine Pforten. Nur noch eine Tafel erinnert an die ehemalige Entbindungsanstalt in der Jakobstraße.

marianneninstitut3

 

Quellen:
https://books.google.de/books?id=yUJLAAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ViewAPI&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false (man kann das Buch von Vitus J. Metz komplett online lesen)
Bruno Lerho, „Damals in Aachen, Burtscheid & Forst”, Helios-Verlag


 

Teilen

Visits: 2179

8 Antworten

  1. Das ist so interessant! Ich habe zwar schon oft gehört “Na, wo schon? Natürlich im Marianneninstitut!”, aber wußte bisher so gut wie nichts über die Geschichte…

  2. Richard Braun sagt:

    Liebe Hanne,
    Dein Herzblut für Deine Heimatstadt Aachen “tropft” aus jeder Zeile. Die Stadt Aachen kann stolz auf Dich als “Bürgerin” sein; schließlich sind Bürger/innen mit “Hazz en Blot”, wie Du, die ihre Stadt Aachen lieben, das “originale” Aachen. Zudem bist Du wohl im geschichtsträchtigsten Entbindungsinstitut geboren.
    Mach weiter so, liebe Hanne, und lass die Leser/innen Aachen mit Deinen Worten fühlen und nacherleben.
    Viel Schreibfreude weiterhin und alles Gute.
    R. Braun

  3. Walter von den Driesch sagt:

    Vielen Dank für die interessanten Informationen. Ich wurde auch da geboren, mein jüngerer Bruder auch; gerade noch. Wo genau ich getauft wurde, weiß ich allerdings nicht. Der Stempel in der Geburtsurkunde ist der der Pfarrei St. Paul. Meine Mutter, die an der Taufe aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnte, hat mir erzählt, sie habe das Lied “Fest soll mein ‘Tauaufbund’ immer stehen, ich will die ‘Kiierche’ ‘höören'” mithören und- singen können. War da noch eine Kapelle?

  4. Günter Barfknecht sagt:

    Eine interessante Geschichte von Aachen über die Kaiserbrunnen Getränke Firma.
    Das war für mich sehr lehrsam und Interesant.

  5. Hubert Kern sagt:

    Weiß vielleicht jemand das genaue Datum der Schließung.Ich bin
    am 17.05.1959 geboren war eventuell einer der zuletzt geborenen.

  6. Gerd Gerhards sagt:

    Ich bin im Juni 1935 im Marianneninstitut geboren und würde gerne wissen, ob irgendwo die
    Geburtsbücher archiviert sind und ob man diese einsehen kann.

    • Guten Tag Herr Gerhards,

      alle Geburten wurden in den zuständigen Standesämtern registriert. Darüber hinaus gibt es div. Aufzeichnungen in den Taufbüchern der Pfarren, die Sie z.T. digitalisiert über https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/aachen/ einsehen können. Bitte beachten Sie dabei die allgemeinen Sperrfristen für Geburtsurkunden (Standesämter) von 110 Jahren und den Taufbüchern von 100 Jahren. Innerhalb dieser Fristen können Sie sich nur mit einem Nachweis eines berchtigten Interesses (z. B. Urkunden zur eig. Person) an das Standesamt oder die die Taiufe beurkundende Pfarre wenden.
      Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen!

      Gruß
      Werner Kerschgens

  7. Martha Heinen sagt:

    Da ich 1952 dort geboren wurde, interessiert es mich sehr, ob ich damals in der nahegelegenen Taufkapelle getauft wurde. Weiß jemand etwas darüber, ob man damals Neugeborene direkt getauft hat oder ob sie in dem Ort, wo sie wohnten getauft wurden, dann nach dem 9 tägigen Aufenthalt?
    Auch ich bin glücklich dort geboren zu sein. Unser Hausarzt hatte meine Mutter wegen zu befürchtender Komplikationen dort hinbringen lassen. Später habe ich nur Positives über diesen Ort gehört und gehe gerne immer mal wieder dort vorbei
    Herzliche Grüße

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert