Eine kleine Familienepisode aus entbehrungsreicher Zeit

Nach dem Krieg, es war die so genannte R-Mark Zeit, hatte der Schmuggel im Raum Aachen einen hohen Stellenwert. Kaum ein Bürger der sich nicht in irgendeiner Form daran beteiligte oder zumindest vom Schmuggel hier und da profitierte.

Ich möchte aber ausdrücklich betonen, dass ich nicht von den großen Schmuggelaktionen berichten möchte, bei denen es sogar häufig zu Schießereien an der Grenze kam. Das ist ein anderes Kapitel.

Meine Geschichte handelt eher von den kleinen Mauscheleien, womit sich in dieser entbehrungsreichen Zeit die kleinen Leute über Wasser hielten.

Die grenznahe Lage der Stadt zu Belgien und Holland ließ so den Schmuggel und Schwarzhandel blühen, was zur Folge hatte, dass die Aachener schon über Lebensmittel und andere Güter verfügten, von denen die Deutschen allgemein derzeit nur träumen konnten. Auf den Straßen blühte der Schwarzhandel und jeder versuchte etwas vom Kuchen ab zu bekommen.

Ich war mit meiner Mutter gerade aus der Evakuierung in Bayern zurückgekehrt, mein Vater war noch in russischer Kriegsgefangenschaft. So waren wir froh, bei meinen Großeltern in der Viktoriastraße Unterschlupf gefunden zu haben.

Auch wenn ich nicht mal vier Jahre alt war, erinnere ich mich noch gut, dass mein Großvater mit den abstrusesten Gütern handelte. Als da waren: Silbern angemalte Kruzifixe, eimerweise Rübenkraut und, – sehr begehrt, Nylonstrümpfe. Und dann natürlich immer wieder Kaffee und Zigaretten, allerdings nur in kleinem Rahmen, sonst wäre das Risiko doch zu groß gewesen.

Natürlich kannte ich alle Verstecke in der Zwei-Zimmer-Wohnung. In den  beengten Lebensverhältnissen blieb nichts geheim. So mussten mich Mutter und Großmutter ständig in Schach halten, denn wenn Besuch kam, prahlte ich nur allzu gern mit meinen Kenntnissen: „Soll ich dir mal verraten, wo die Zigaretten versteckt sind?“ oder „Was glaubst du, was da hinter dem Bild an der Wand ist?“

Man musste auch sonst ständig auf der Hut sein, da  auch immer mal Kontrollen durchgeführt wurden, meist nach Anschwärzen neidischer Nachbarn.

So wurde auch regelmäßig „schwarz“ geschlachtet, da Frischfleisch große Mangelware war und somit sehr begehrt.

In diesem Zusammenhang fällt mir eine kleine Geschichte ein, die noch viele Jahre in der Familie die Runde machte:

Eines Tages schellte es alarmierend an der Haustür. Als meine Großmutter zum Fenster hinausschaute, stand unten ein Bekannter aus der Nachbarschaft und rief aufgeregt: „ Sie haben den Jansen verhaftet“.

Das war das Alarmzeichen. Denn der Jansen war der Metzger, der mit dem schwarz geschlachteten Fleisch handelte und auch unsere Familie gerade erst am Vortag beliefert hatte.

Nun war die Aufregung groß. Was tun mit dem Fleisch? Man wusste ja nicht, ob der Mann dicht hielt. Schließlich musste das Fleisch, zumindest für eine Weile, aus dem Haus.

Da hatte meine Mutter eine Idee. Sie packte Bratenstücke und Würste kurzerhand in den Kinderwagen und machte sich auf zu einem längeren Spaziergang durch das Frankenberger Viertel, natürlich ohne mich.

Wie es aber kommen musste, traf sie unterwegs auf Bekannte, die sich mit Blick auf den Kinderwagen auch gleich nach dem Kleinen erkundigten. Mit den Worten: „Ach der schläft ganz fest“ ist Mama dann schnell weiter geeilt.

Viel später in den 60er Jahren wurde mein Großvater auf eine etwas skurrile Weise noch einmal an diese Begebenheit erinnert: Er war längst Rentner, die Wohnung noch die gleiche. Da sollte ganz in der Nähe ein Grundstück bebaut werden.

Am Tag als der erste Bagger anrollte, trieb die Neugier meinen Opa zur Baustelle. Denn er wusste, an dieser Stelle hatte damals der Schlachter immer die Tierfelle vergraben. Und prompt, nach der ersten Grabungsschicht hing  schon ein Kuhfell am Haken. Und zum Erstaunen des Baggerführers zog er dann noch diverse Tierhäute aus dem Erdreich.

Opa ging schmunzelnd nach Hause um seiner Frau von seinem Erlebnis zu berichten.


 

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