Frau Knubben und Sankt Michael

Spüren, was “Heimat” ist

Die Erinnerung an meine Kindheit beginnt mit, na, sagen wir der Einschulung in die damalige Grundschule Kalverbenden, im Haus des Schängche: Mit jenem Standardfoto, auf dem das i-Dötzchen in Lederhose mit jenem weißen Plastikhirsch im Zentrum des Hosenträgers, akkurat gescheitelt aufrecht an seinem Pult sitzt, vor sich ein aufgeschlagenes Lehrbuch und ein Blumenväschen. Brav und lernbegierig. So begann damals der „Ernst des Lebens“ – und regelmäßig erschienen in der Klasse der „Sparonkel“ und ein Arzt, der uns impfte. Erst mit Spritze, später dann mit Pistole. An die Zeit vor der Einschulung erinnern nur Gefühle und Puzzleteilchen.

Seltsam: Irgendwie erscheinen im Rückblick die frühen Kindheitsbilder in Schwarz-Weiß. Nicht, weil es triste Jahre waren. Ganz im Gegenteil. Nicht, weil die ersten „Glotzen“ und Fotoapparate nur diese Farben zeigen konnten. Ich weiß nicht warum. Eines aber weiß ich: Streng chronologisch sind meine Erinnerungen an Heimatstadt, Kindheit und Jugend sicher nicht. So manches geht durcheinander.

Aufgewachsen bin ich in Burtscheid, in der Kapellenstraße, gleich neben dem Ferberpark. Die Kapellenstraße war damals noch eine richtige Straße, mit Autos und Bürgersteigen. Sie führte von Kalverbenden hinunter zum Burtscheider Markt. Unser Hof war umgeben von schweren Mauern, auf die immer wieder die „Jungens aus dem Ferberpark“ kletterten, um uns mit Stöcken oder Sandbällen anzugreifen. Mit Freunden verteidigten wir unser Terrain oder mussten auch bisweilen Eindringlinge gewähren lassen, die dann die Burgen in unserem Sandkasten zerstörten und wieder „flüchteten“.

Obwohl der Krieg damals schon viele Jahre vorüber war, erinnerte in meiner frühen Kindheit noch manches an ihn. Vor allem Häusertrümmer, gleich neben unserem Hof zur Straßenseite hin, in denen wir spielten. Das war strengstens verboten und deshalb besonders spannend. Dann kriegsversehrte Männer, die ein Bein oder einen Arm verloren hatten. Längst sind sie aus dem Straßenbild verschwunden. Als ich dann acht Jahre alt wurde, ließ die Stadt das Mietshaus, in dem wir wohnten, abreißen. Eine Gehörlosenschule sollte dorthin. Bis heute steht sie nicht.

Meine vier Geschwister und ich wuchsen behütet auf. Familiensinn und Glaube gehörten wohl zu den bedeutenderen Maximen in unserer Erziehung. Hunger, Durst, kalte und feuchte Wohnungen – all das war für die Eltern noch nicht lange her, für uns aber Jahrhunderte weit entfernt. Der Kohleofen bollerte, die Heizkörper rauschten und glucksten laut, doch sie spendeten Wärme. Eiskalt war nur im Winter das WC im Treppenhaus, das wir gemeinsam mit anderen Mietern nutzten. Und das Kinderschlafzimmer, das außerhalb der elterlichen Wohnung lag und keine Heizung besaß. In diesem zehn Quadratmeter kleinen Raum standen drei Kinderbetten. Hier gab es Kissenschlachten und Erzählungen, stundenlange Spinnereien und Ängste – beispielsweise wenn man glaubte, der Letzte aus der Familie zu sein, der noch wach lag.

Leckmuschel und Negerkuss

Unsere Welt hieß Burtscheid mit Kapellenplatz und Ferberpark. Mit der unendlich langen Klostertreppe, an der die Arztpraxis des Vaters lag. Und mit seiner kopfsteinernen Hauptstraße, die nur die Besten mit ihrem Fahrrad hinauffahren konnten – ohne absteigen zu müssen. Gangschaltungen kannten wir noch nicht. Der Hit, der wenig später aufkam, war die Torpedo-Dreigang-Schaltung, die sich irgendwann dann zur 24-Kettenschaltung entwickeln sollte.

Fast alles spielte sich rund um den Kapellenplatz ab: Herr Jörres reparierte in seiner Werkstatt unsere Fahrräder, bei Frau Kessel kauften wir Lebensmittel, in der Bäckerei Freitag Brot und Backwaren, und Herr Böhmers Weinhandel bot gute Rote und Weiße für meine Eltern. Kaugummi- und Zigarettenautomaten standen an jeder Ecke. Bei Frau Knubben, die einen Kiosk gleich gegenüber unserem Mehrfamilienhaus auf dem Kapellenplatz betrieb, kauften wir Sahnehörnchen für 10 Pfennig und Honig-Leckmuscheln für 5 Pfennig. Supermärkte existierten nicht. Und Aachens große Kaufhäuser wie Woolworth, das „Haus für Alle“, die Kaufhalle, Horten und der Kaufhof, standen im Zentrum, „in der Stadt“, wie wir sagten.

Die Ledermode hatte uns Jungens fest im Griff. Jeder besaß eine lange und eine kurze Lederhose. Und dann noch die „gute“ dunkelblaue lange Hose für den Sonntag und „besondere“ Gelegenheiten, die immer so furchtbar an den Beinen kratzte. Auf Spielplätzen tollten wir rum oder „hingen ab“. Freizeitparks, Events und Fun-Center existierten nicht. Wohl besuchten wir sonntagnachmittags um 15.00 Uhr die Schängchen-Aufführungen, die mich meist (Pardon!) langweilten, auch weil ich das Öcher Platt von Nieres und Veries einfach nicht verstand. Die alljährlichen Weihnachtsmärchen im Stadttheater, die vor Romantik und Zauber noch strotzen durften, waren da für uns Kinder schon ganz andere Erlebnisse. Gerne erinnere ich mich vor allem an das „Ali“ in der heutigen Elisengalerie. Dieses stadtbekannte und ebenso preiswerte wie eng bestuhlte und stickige Kino zeigte sonntags um 17.00 Uhr häufig „Dick und Doof“. Peinlich war uns Jungens nur das laute Lachen und Schenkelklopfen meines Vaters, der tatsächlich vor Lachen um Luft ringen musste.

Zum Fußballtraining und zu Chorproben, zum Klavierunterricht und zur Schule, zu Verabredungen, zum Schwimmen und zu Kindergeburtstagen fuhren wir bei Wind und Wetter mit Fahrrad oder Bus. Undenkbar, dass Mutter oder Vater uns mit dem Auto kutschiert hätten. Selbst im Winter nicht, wenn wir von Burtscheid aus mit den Holzschlitten zu Fuß zum „Idiotenhügel“ hinter dem Stauweiher zogen, um Stunden später mit eiskalten Füßen und klatschnassen Woll-Fäustlingen den Heimmarsch anzutreten. Was tat das gut, wenn Mutter dann zu Hause die roten Füße rieb, oder wir sie zwischen die Rippen der Heizkörper steckten.

Unvorstellbar auch, dass bei Training oder Proben die Eltern dabei waren, um uns zu behüten oder sich beim Trainer oder Chorleiter „einzubringen“. Grauenhaft und peinlich der Gedanke, die Mutter hätte neben dem Baum gewacht, in den wir gerade kletterten und stets besorgt „Nicht so hoch, mein Schatz!“ gerufen. Oder der Vater hätte, um sich als echter Kumpel zu zeigen, beim Versteckspiel neben uns im Busch gehockt. Es gab Regeln, Verbote, Mahnungen und zugleich Geborgenheit, aber kein „Vertütteln“. Wir waren „frei“ und fühlten uns zugleich umsorgt und behütet. Doch wehe, Regeln wurden nicht beachtet oder auch nur vernachlässigt. Abendessen gab es um 18.00 Uhr. Nicht um 18.05 Uhr!

Obwohl meine Eltern passionierte Karnevalisten waren und sind, habe ich kaum Kindheitserinnerungen an den Öcher Fastelovvend. Ich erinnere mich noch, wie sich die Lindwürmer der Rosenmontagszüge durch die Adalbertstraße schlängelten, durch die damals noch Autos und Straßenbahnen fuhren. Wie die Großen sangen, sich zuprosteten oder schunkelten – und ich mir meist in meinem Kostüm einfach nur blöde vorkam.

Unsere Freunde, meine Geschwister und ich hatten selbstverständlich Haustiere. Da standen Hamster- und hingen Vogelkäfige. Spinnen- oder Reptilienterrarien waren undenkbar. Und kamen wir nach Hause, so hieß unser erster Ruf: „Mutti, wo bist Du?“ Es war schön, dann das wohlvertraute „Hier, mein Kind!“ oder auch nur das gewohnte Dampfrauschen des Bügeleisens aus der Küche zu hören.

Die Sommerferien prägte die Osthalle. Süd- und Westhalle waren noch längst nicht gebaut. Als einziger Konkurrent zur geliebten Osthalle galt die Elisabethhalle. Aber dort war das Wasser stets kalt und das Dreimeterbrett stets gesperrt. Das „Einer“ federte nicht gut, und viele Erwachsene wünschten sich hier Ruhe statt Kinder. So kaufte unsere Mutter uns immer am ersten Ferientag für je 5 DM eine Monatskarte für die Osthalle – und von da ab marschierten wir jeden Morgen zum Adalbertsteinweg: Erzbergerallee, Viktoriaallee und dann die triste und unendlich lange Viktoriastraße. Legendär war unsere „Frau Bülles“, nach der stets alle Teenager in der Umkleidekabine brüllten, damit sie die Schränkchen aufschloss. „Frau Büüülllles!“ „Jaja, ich komm’ ja schon…“, hörte man sie heranschluffen. Ich kenne niemanden, der sie je hat lächeln sehen. Nach dem Schwimmen gab’s, je nach Wetterlage, Sandbrötchen vom Bäcker oder Eis von Delzepich, für das wir, müde vom Schwimmen, mit nassen Haaren und vom Chlor geröteten Augen, sogar einen gewaltigen Umweg in Kauf nahmen.

An eine für die damalige Zeit bezeichnende Anekdote erinnere ich mich noch besonders gut: Bei einem riskanten Sprung vom „Dreier“ war ich mit dem Hinterkopf auf die Steinkante des Dreimeterturms aufgeschlagen, klatschte ins Wasser, das meine Platzwunde am Hinterkopf rasch rot färbte. Der Schwimmmeister pfiff kurz, winkte mich zu sich, band mir einen Verband um den Kopf und fragte mich, wo ich denn wohnte. Ich antwortete, mein Vater sei Arzt, und ich würde jetzt mit dem Rad zu ihm fahren. „Okay“ sagte der Schwimmmeister – und so fuhr ich als 10-Jähriger mit blutigem Kopfverband auf meinem Rädchen quer durch die Stadt zur Praxis meines Vaters. Ein Kollege nähte oder klammerte die Wunde – und fertig.

Kinderalltag und Kartoffeln

Einen Fernseher besaßen wir nicht. So guckten wir heimlich am Dienstag und Donnerstag bei Freunden die Kinderstunde: „Mato, der Indianer“ oder „Ich wünsch mir was“. Es waren Höhepunkte der Woche. Später, ich glaube, ich war so etwa zwölf Jahre alt, brachte das Christkind unserer Familie den ersten Fernseher. Drei Programme konnten wir schwarz-weiß empfangen. Natürlich kannte man keine Fernbedienung. So musste man schon aufstehen und die langen Stiftknöpfe durchdrücken. Privatsender, Kabelfernsehen, Satellitenschüssel oder Musikkanäle waren Fremdwörter. Nur ein Radiosender war so richtig populär, weil er ständig die neuesten Schlager spielte: Radio Luxemburg, den man auf Mittelwelle meist nur knisternd empfing. Radio Luxemburg, die spätere Mutter von RTL, kannte jeder.

Die Kinderstunde blieb für uns zunächst der Wochenhit. Die Highlights des Jahres aber waren die Vierteiler an den Adventssonntagen, die wir frisch gebadet im Schlafanzug gucken durften: „Tom Sawyer“, „Lederstrumpf“ oder der „Seewolf“. Später dann kam anderes dazu: „Der Kommissar“ mit Eric Ode, den wir freitagabends mit Mutter, die dabei bügelte, immer dann schauen durften, wenn der Fernsehteil der Kirchenzeitung ihn „ab 14“ empfahl. Kommentierte die Kirchenzeitung „ab 16, wenn die Möglichkeit zum Gespräch besteht“, so schickte Mutter uns gnadenlos ins Bett. Man konnte darauf wetten, dass in dieser Folge irgendeine barbusige Schauspielerin oder schlüpfrige Szene zu erwarten war. Da war die Kirchenzeitung sehr genau. Und deshalb, und wegen ihrer miserablen Witze, mochten wir sie nicht.

„Invasion von der Wega“, „Simon Tempel“ und „Mit Schirm, Charme und Melone“ lösten dann später Abenteuerserien wie „Bonanza“ und „Big Valley“ ab. „Bonanza“ war Kult. Sonntags um 18.00 Uhr. Es gab Tränen, wenn wir vom Ausflug bis dahin nicht zurück waren. Überhaupt die Ausflüge: Wanderungen in die Eifel oder ins Hohe Venn, Besichtigungstouren durch Ostbelgien oder Besuche bei Freunden und Verwandten. Ausflüge, die wir liebten und hassten. Und kehrte man wieder einmal von einer Tour zurück, so fühlte man sich zu Hause, wenn der Zoll bei Köpfchen oder in Vaals, wenn die Eupener oder Lütticher Straße erreicht waren. Oder wir im Dunkeln den erleuchteten Springbrunnen am Europaplatz erblickten, in den damals regelmäßig nachts Autos hineinrauschten. Überall hier, da war man wieder zu Hause.

Leere Batterien schmissen wir in den Müll. Wir hatten eine einzige große eiserne Mülltonne, die die „Müllmänner“ an den Leerungstagen gekonnt am Öffnungsknauf vom Bürgersteig zum Müllauto rollten. Nicht jedes kleinste Spielzeug oder Döschen war in Plastik geschweißt. Auch besaß nicht jeder Haushalt fünf Zeitschriftenabos. Und Pampers hatte noch niemand erfunden. So hielt sich der Müll in Grenzen. Die Stoffwindeln von fünf Kindern schrubbte Mutter kniend auf dem Waschbrett in der Badewanne. Meist standen wir dabei an ihrer Seite und stellten kluge Fragen.

Dass Mutter wieder ein Kind erwartete, erkannten wir beiden Ältesten daran, dass sie die Unterschenkel mit hässlich braunen Bandagen umwickelte. Das war damals so. Statt von „schwanger“ sprach man von „in anderen Umständen“. Gruselig. Vorsorge oder gar Ultraschalluntersuchungen gab es nicht. Die Ungewissheit der Mütter war normal. Und das war gut so: Die Frauenärzte verkündeten nicht wöchentlich möglicherweise alarmierende Diagnosen, die die Mütter hätten irritieren oder besorgen können.

Obst klauten wir, wo wir nur konnten: Äpfel, Birnen, Aprikosen oder alle möglichen Sorten Beeren in Nachbargärten. Auf den Feldern knabberten wir Sauerampfer und gruben Runkelrüben und Rettiche aus, die wir verdreckt aßen. Die Folgen waren häufig Durchfall und Bauchweh, doch niemand trug eine Vergiftung davon. Schürf- und Risswunden oder Löcher im Kopf, die genäht oder geklammert wurden, waren an der Tagesordnung. Die Körperteile, die die dicke speckige Lederhose nicht schützte, waren stets lädiert.

Täglich gab es Kartoffeln – mal als ganze, mal als Püree, mal als Klöße. Pizza, Tortellini oder gar Döner kannte kein Mensch. Gemüse hieß vor allem Bohnen, Erbsen – und Kohl, in jeder erdenklichen Art: Grünkohl, Rosenkohl, Rotkohl, Blumenkohl, Weißkohl. Broccoli und Zucchini waren noch nicht gezüchtet. Obst waren Äpfel, Birnen, Apfelsinen und Bananen. Von Kiwis, Litschis und Mangos hatten wir nie gehört. Es gab ein Mineralwasser, keine „Wasserkarten“ in den Restaurants. Und statt Cappuccino, Latte macchiato oder Espresso trank man bloß Kaffee, Dornfelder oder Riesling statt Pinot Grigio und Prosecco. Oder für 60 Pfennig ein „Köppelchen“: ein Bier mit einem Korn.

Als Kinder saßen wir in Autos ohne Sicherheitsgurte und ABS, Kindersitze und Airbags. Unsere Bettchen waren angemalt in strahlenden Farben voller Blei und Cadmium. Die Fläschchen aus der Apotheke konnten wir problemlos öffnen, genauso wie die Flasche mit Bleichmittel. Wir tranken Wasser aus Wasserhähnen und nicht aus Flaschen. Wir bauten Wagen aus Seifenkisten und entdeckten während der ersten Fahrt den Hang hinunter, dass wir die Bremsen vergessen hatten. Damit kamen wir nach einigen Unfällen klar.

Es war eine unbeschwerte und herrliche Kindheit. Wir spielten Fußball mit einer ovalen Blase, Pille oder „Flutsche“, Ball konnte man das nicht nennen. Wir lagen stundenlang in Wiesen oder streiften durch den nahe gelegenen Wald des Nellessenparks auf der Beverau. Zu Hause kündigten wir an „Mutti, wir sind draußen…“ Das reichte als Erklärung. Und Mutter konnte uns kein Handy mitgeben, damit wir allzeit erreichbar waren. Wir blieben den ganzen Nachmittag weg und mussten erst zu Hause sein, wenn die Straßenlaternen angingen. Niemand wusste, wo wir waren. Wir fuhren Fahrrad ohne Helm und Rollschuhe ohne Knieschützer. Wir kämpften und fochten mit Stöcken ohne Gesichtsschutz, und niemand schlug dem anderen ein Auge aus. Wir schnitzten Speere mit scharfen Fahrtenmessern ohne bleierne Handschuhe, die unsere Finger schützten. Wir kletterten auf Bäume und in Trümmern, haben uns geschnitten, brachen Knochen und Zähne, und niemand wurde deswegen verklagt. Es waren halt Unfälle. Niemand hatte Schuld außer wir selbst. Keiner fragte gleich nach „Aufsichtspflichten“.

Wir schlugen „Straßenschlachten“ mit den Kindern der belgischen Besatzungsmacht und kriegten in der Schule Ohrfeigen. Zu Hause verschwieg man das gerne, denn zu erwarten war im günstigsten Fall ein tröstendes: „Dann hast du das auch verdient“ oder gar ein drohendes: „Das war richtig so, da kriegst du von mir noch eine…“ Die Eltern vertrauten der Autorität der Lehrer. Meistens, nicht immer.

Wir aßen kein Müsli und fettarme Kost, wohl aber Kekse, Oberländer mit dick Butter und wurden trotzdem nicht zu dick. Wir tranken mit unseren Freunden aus einer Flasche und niemand infizierte sich. Playstation, Nintendo 64, X-Box, Videospiele, 64 Fernsehkanäle, Filme auf Video, Surroundsound, eigene Fernseher, Computer, Internet-Chatrooms kannten wir nicht. Wohl aber hatten wir Freunde. Wir gingen einfach raus und trafen sie auf der Straße. Oder wir marschierten einfach zu ihnen nach Hause und klingelten. Manchmal brauchten wir gar nicht zu klingeln und gingen einfach hinein. Ohne „Termin“ und ohne Wissen irgendwelcher Eltern.

Als Mutprobe aßen wir Regenwürmer für einen vereinbarten „Lohn“. Beim Straßenfußball durfte nur mitmachen, wer gut war. Wer nicht gut war, musste lernen, mit Enttäuschungen klarzukommen.

Unser erstes Auto war ein VW Käfer. Vier von uns Kindern saßen auf der Rückbank, einer lag stets ganz hinten in einer Ablage. Das war der Lieblingsplatz von allen. Er war kuschelig, gemütlich, und um ihn gab es stets lautstarken Streit. Wenn Mutter plötzlich bremsen musste, rief sie laut: „Voooorsicht!“ und hielt mit ihrem rechten Arm die Lehne des Beifahrersitzes fest, die sonst nach vorne geschnellt wäre. An einen Unfall kann ich mich nicht erinnern.

Zu Hause gab es ein Telefon mit nur einem Klingelton. Den Hörer verband eine Schnur mit dem Apparat – und von dem wiederum führten zwei Kabel zu Steckdose und Postanschluss. Telekom, Vodafone oder E-Plus existierten noch nicht. Für den gesamten Kommunikationsbereich gab es nur ein Monopol: die Post. Das Telefon war in einem hässlichen Grau und die Scheibe surrte beim Wählen. An der Länge des Surrens konnte man bei jeder Ziffer erkennen, ob man sich verwählt hatte. Lästig, dass man den Hörer zwischen Kopf und Schulter einklemmen musste, um beide Hände frei zu haben, mit denen man dann den Apparat festhalten konnte, der sonst beim Wählen stets wegrutschte. Unser Telefon stand im Flur, kein Stuhl in seiner Nähe. Man telefonierte im Stehen, auch, damit es nicht so lange dauerte, wie Vater stets sagte. Überhaupt war Telefonieren vor allem Elternsache. Wir Kinder sollten möglichst die Finger davonlassen.

Mit größter Selbstverständlichkeit spielten wir Jungen auf der Straße mit den Mädchen. Außer Seilchenspringen gab es kaum typische Mädchenspiele. Die meisten von ihnen trugen lang geflochtene Zöpfe. Gemeinsam spielten wir Gummitwist und „Deutschland erklärt den Krieg an…“ Oft waren die Mädchen mutiger, so beim Mäuschenklingeln und Obstklauen. Und nur eine einzige reine „Männerdomäne“ blieb uns: Fußball. Undenkbar, dass hier einmal ein Mädchen mitgespielt oder auch nur darum gebettelt hätte.

Die Rollen der Eltern waren eindeutig verteilt: Vater arbeitete als Internist im „Außenministerium“, Mutter war „Innenminister“. Zu Hause stand Vater für Strenge, Mutter für Wärme. In Fragen des Glaubens und der Kirche kümmerte sich Vater um unseren Verstand, Mutter um unser Herz. Der liebevoll gestaltete Marienaltar im Monat Mai und die Zeit von St. Martin, Nikolaus, Advent bis schließlich zur Weihnacht – diese Wochen waren für uns Kinder dank Mutter stets ein Fest der Sinne und Emotionen. Und wenn Vater dann kurz vor der Bescherung noch seiner Verantwortung gerecht wurde und das Weihnachtsevangelium verlas und kommentierte, so war das eine der härteren Prüfungen für uns Kinder. Doch wie gesagt: Die Rollen waren klar verteilt, Diskussionen oder gar Rollenspiele in Selbstfindungsgruppen für Männer oder Frauen gab es nicht.

Die Kirche war eine Säule unseres Lebens. Besonders fromm waren wir nicht. Kirche war halt „normal“. Den Kommunion- und Firmunterricht hielten „unser“ Pastor und „unser“ Kaplan. Sie taten das mit viel Herz, Strenge und Klarheit. Lachen habe ich unseren Pastor Hugo Baurmann nur selten gesehen. Und doch hat er mich bis heute geprägt. Wir wurden Messdiener, raubten unserem Küster Herrn Schmitz mit Streichen und Unvermögen am Weihrauchfass den Verstand, nuschelten die lateinischen Stufengebete und begleiteten unseren Pastor auf Beerdigungen. Dies war uns der liebste Dienst, denn meist gab es nach getaner Arbeit einige Silbermünzen von den Trauernden. Im Altarraum und in der Sakristei, die stets geheimnisvoll roch, fühlten wir Jungens uns wohl. Auch ohne Mädchen. Und sicher sind hier so manche Priesterberufungen gewachsen.

Zeit des Umbruchs

Etwa im Alter von 12 Jahren löste der Fußball den Wald, die Straße und die Osthalle ab. Ich trat in die D-Jugend-Mannschaft des Burtscheider TV ein und trainierte und spielte von da an bei Wind und Wetter auf dem Sportplatz „Siegel“, der auf den beiden Außenhälften noch Gras, sonst aber nur Dreck und Schlacken kannte. Zwei Trainer sind mir in Erinnerung geblieben: Der erste war Norbert Käfer, der uns Jungens spürbar liebte, und nicht nur Fußball mit uns spielte, sondern in seinem Mini auch Ausflüge und Fahrten unternahm. Und dann Willi Carlier, der mit großartigem Engagement aus einem bunten Haufen Straßenfußballern rasch eine Jugendmannschaft formte, die es bis in die Verbandsliga schaffte. Zwei Männer, denen bis heute mein Dank gilt und deren ehrenamtliches Engagement nicht nur ich auch heute noch zu schätzen weiß.

Ich hatte Geschwister und Freunde in der Schule, Pfarre und Nachbarschaft. Doch in diesen Jahren wurde meine Fußballmannschaft meine zweite Heimat. Vor allem auch wegen der Freundschaft mit unserem Torwart, Achim Kaiser, der mich ob seines herausragenden Talents ruck, zuck aus dem Tor verdrängt hatte. Damals ein Drama für mich: erst eine Woche zuvor hatte ich mir Knieschoner und Torwarthandschuhe gekauft! Achim war ein Jahr jünger als ich, sah aber zwei Jahre älter aus. So gelang ihm spielend leicht der Einlass in Kinofilme „ab 16“, während ich draußen bleiben musste. Später erläuterte er mir stets mit der ihm eigenen Begeisterung Inhalt und Dramatik. Fast täglich hockten wir zusammen. Bei ihm in seiner Wohnung in der Turpinstraße, wo er mich mit Emerson, Lake & Palmer-Synthesizergequietsche „quälte“, oder in meinem kleinen Kinderzimmer im Haus an der Adenauerallee, wo wir stundenlang über Filme und Fußball, Gott und die Welt, Mädchen und Liebe quatschen konnten. Wir vertrauten uns gegenseitig Sehnsüchte und Probleme, Sorgen und Geheimnisse an und wussten, dass sie kein Dritter erfahren würde. Es war eine solch vertraute Freundschaft, wie viele Kinder heutzutage sie kaum noch kennen.

Wie schon gesagt: Achim entwickelte sich körperlich viel schneller als ich. Klar, dass er auch als Erster von uns „mit einer ging“. Bei mir kam das später. Ich war auch mit 16 Jahren immer noch klein, kleiner auch als meine erste Liebe, die Anne hieß. Ging man als Pärchen spazieren, so natürlich Arm in Arm: Der Junge legte den Arm um die Schulter des Mädchens, das Mädchen ihren um den Rücken des Jungen. Bei Anne und mir gelang dies nur, wenn sie auf der Straße und ich auf dem Bordstein ging. Klar übrigens, dass Achim schon beim zweiten Waldspaziergang von Anne und mir dabei war, um meine erste Flamme kennenzulernen.

Dann kam die Zeit der „Feten“. Gemeinsam mit Freunden aus meiner Pfarre St. Michael, die als Führer bei den Ferienspielen oder später im Zeltlager halfen, veranstalteten wir die ersten „Matratzenfeten“ in den Kellern der Elternhäuser. Zum Rolling-Stones-Song „Angie“ tanzten wir eng umschlungen, knutschten, oder versuchten es zumindest. Bei fetziger Rockmusik hingegen standen alle bloß da in der Mitte des Kellerraumes, um wild die Haarmähnen zu schwenken. Stolz tranken wir Bier, Sangria oder Lambrusco. Der eine ging mit der, dann machte die Schluss, um gleichzeitig einem Dritten eine schriftliche Botschaft einer Freundin zu überbringen, sie fände ihn eigentlich ganz nett. Der wiederum hatte längst ein Auge auf die „Neue“ geworfen, die aber noch mit Fred „ging“. Dramen, Diskussionen, Tränen.

Telegrafen- und Strommaste, Hydranten und Straßenbahnschienen waren längst aus dem Straßenbild verschwunden. Der Golf hatte den Käfer verdrängt – und allerorts entstanden Fußgängerzonen. Ich erinnere mich noch gut an eine Klassenarbeit in der Mittelstufe: „Vor- und Nachteile der neuen Fußgängerzonen“. Es war die Zeit des ersten Umbruchs, den ich bewusst erlebte.

Vielleicht trug auch die beginnende Pubertät dazu bei, dass meine bisherige „heile Welt“ in Geborgenheit und Freiheit, Klarheit und Führung, nun plötzlich bröckelte. Parka, lange, oft fettige Haare, Schlaghosen mit Glöckchen und Wildlederstiefel mit Fransen kamen auf. Woodstock und ähnlich laute Rockfestivals, bei denen Massen zusammenkamen irritierten mich. Sein Jugendzimmer tapezierte man erst mit Postern von den Beatles, später dann von den Rolling Stones, Uriah Heep, Deep Purple oder Alice Cooper. Man war gegen Vietnam und kaufte zugleich im American Stock in der Passage an der unteren Adalbertstraße. Kondomautomaten hingen nun in den diskreten WC-Bereichen der Kneipen, und die Titelbilder der Illustrierten wurden immer nackter. Bravo-Lektüre galt als kindisch, und doch interessierte sich jeder für die Ratschläge von Dr. Korff und Dr. Sommer.

In der Oberstufe des Rhein-Maas-Gymnasiums dann, Mitte der 70er, begannen die ideologischen Debatten. Die Progressiven in unserer Klasse, liebenswerte Freunde, rauchten Hasch, schmissen Trips, schliefen mit Mädchen, gingen auf Demos, wenn es nicht zu anstrengend war – und taten so, als verachteten und verhöhnten sie alles, was nach Ordnung, Autorität und Glaube roch. Und doch suchten manche von ihnen die Nähe jener, die als „konservativ“ galten. Aus unserer „alten“ Klasse – die Oberstufenreform wurde eingeführt und drei Klassen zusammengelegt – besuchten noch vier oder fünf den Schulgottesdienst und vertraten im Reli- und Deutschunterricht Positionen, die eher als veraltet galten. „Ihr habt es halt noch nicht begriffen“, warfen sie uns als den Sprösslingen der Bourgeoisie vor, bevor sie unsere Hausaufgaben kopierten oder wir ihnen Mathenachhilfe gaben. Erstaunlich und dankenswert, dass wir trotz aller Gegensätze Freunde blieben.

Es waren verrückte Zeiten. Der erste Rausch nach der dritten Flasche Pils. Dann die Mädchen und die oft unerträgliche Spannung mit dem sechsten Gebot. Wir „bauten Mist“, doch die Kirche blieb unsere Heimat. Und wir blieben mehr oder weniger „auf Linie“. Ein Verdienst der stillen Gebete unserer Mutter. Vor allem aber ein Erfolg unseres Vaters, der stets Konsequenz bewies, anstrengende Diskussionen und altmodische Verbote nie scheute. Für uns war das schwer, schwierig und oft ging es über unseren jugendlichen Horizont und unseren Gerechtigkeitssinn, der hier und dort arg provoziert wurde. Natürlich machten auch meine Eltern Fehler. Ganz sicher dominierte nach unserer Kindheit auch Kontrolle zu sehr vor Vertrauen. Doch wenn eines der wichtigsten Ziele der Erziehung bleibt, den eigenen Kindern in schwierigen Zeiten die Glaubenstreue zu bewahren, dann darf man unseren Vater „erfolgreich“ nennen.

Und heute?

Nein, früher war weiß Gott nicht alles besser! Doch vieles vielleicht normaler, natürlicher, pädagogisch, ideologisch, psychologisch nicht ganz so überladen. Welt, Gesellschaft und natürlich auch Aachen haben sich verändert. Ob Oberbürgermeister Kurt Malangré oder Dr. Jürgen Linden, ob Grün oder Rot, Schwarz oder Gelb, ganz gleich welche Partei in der Verantwortung war und ist: Über Jahrzehnte hin hat sich Aachen prächtig entwickelt. Jeder Mensch und jeder Politiker, der sich in seiner Freizeit für seine Stadt engagiert, macht Fehler. Doch engagieren sich die meisten von ihnen mit Leib und Seele für ihre Heimatstadt. Das Gesamtkunstwerk Aachen, die Gestaltung der Innenstadt und die Verkehrsführung, die Sanierung des Doms oder die Elisengalerie, die neue Mayersche und der neue Kaufhof, der Karlspreis, Symphonieorchester und die Theaterszene, das Reitturnier, die Alemannia und auch der „alte“ AKV, so mancher Autor dieses Buches und viele andere, die im Verborgenen wirken – all jene, all dies und das haben dazu beigetragen, dass Aachen Kult ist! Bei allen Problemen, die einer Stadt eigen sind: Es ist schön, Aachener zu sein. Man spürt hier, was „Heimat“ heißt.

[Erstmals erschienen 2006 im Buch “Unser Aachen”.]


 

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8 Antworten

  1. Walter von den Driesch sagt:

    Genau so war es. Allerdings begannen die “ideologischen Debatten” im RMG schon Ende der neunziger Jahre, wovon die “Kommers-Zeitung” (anl. der Mittl. Reife) meiner damaligen Klasse peinlich zeugte. – Der Burtscheider Kiez ist mir sehr vertraut, obwohl der meinige eher um Krugenofen und Eupener Straße lag; aber es gab immerhin Ausflüge in das wundervolle Gillesbachtal, in dessen Nähe meine vaterseitigen Großeltern wohnten. Oberpfarrer Hugo Baurmann: eine beindruckende Priesterpersönlichkeit. Und auf ganz andere Weise auch “Kaplan” – wie er genannt wurde – Herbert Woopen, der uns an … Albert Camus heranführte. – Toll, dass sich noch jemand dieser Frau Bülles’ erinnert.

  2. Wolfgang Bebronne sagt:

    Aufgewachsen zuerst in der Zollernstrasse 22, ab 8 Jahre dann in der Karl-Marx-Allee kann ich den Bericht “aus der guten alten Burtscheider Zeit” sooooo gut nachvollziehen.
    Und als Ex-RMG´ler kennt man natürlich Woopen & Co.
    Walter von den Driesch war übrigens mal mein Sitznachbar im Rhein-Maas-Gymnasium und nach seinem Rezept (aus der elterlichen Likörfabrik??) stellte ich meinen ersten selbstgebrauten Alkohol her. Nun ja, eine Brille benötigte ich schon vorher; und Frau Büüüülles kannte ich natürlich auch.

  3. Wolfram Dorn sagt:

    RMG, BTV, usw, da schreibt mir jemand aus dem Herzen. Mit Fußball habe ich erst als 15-jähriger begonnen. Obwohl wir mit “05” auf Steinebrück spielten, trafen wir uns zu Auswärtsspielen am Kapellenplatz, wo Trainer Groten wohnte. Zum 2. A-Jugend-Jahr gingen einige v uns nach BTV. Natürlich kam an Achim Kaiser weiterhin keiner vorbei,so war ich in der A-2, noch heute kann ich alle 33 Spieler + die Betreuer auf d Foto benennen.
    Wahrscheinlich bin ich der letzte von den 33, der noch aktiv spielt, mit 56 A.H. in Kornelimünster. 1974 bildete sich aus dieser RMG-VfL-BTV-Clique unser WM-Studio,wo wir bei “unserem Milchmann” Holstein, Erckensstrasse, TV schauten.
    Sein Sohn HPH u.Fam.wird auch 2014 Gastgeber sein. Genial, daß solche Kontakte 40 Jahre halten können. M.Müller, danke f d Riesen-Artikel. Ein Gruß an Alle aus der Jugend-Zeit in Steinebrück und Burtscheid von buffydorn@web.de

  4. Walter von den Driesch sagt:

    Der Klassenkamerad mit der elterlichen Likörfabrik war Detlev Ki. von der Triererstraße. Ich beschäftigte mich mehr mit Pyrotechnik, auf der Grundlage von Hinweisen aus „X-Magazin“ (Vorläufer von „Bild der Wissenschaft“). Die Ausgangsmaterialien gab’s in der Drogerie am Krugenofen Ecke Neustraße. Meine Produkte wurden auf dem wunderbaren Trümmer- und Buschgrundstück (mit Molch- und Froschtümpel), wo später die Schwimmhalle Süd an der Amyastraße und das gelbe Klinkerhaus mit Tankstelle an der Eupener Straße errichtet wurden, „gezündet“. Dass mir dabei nie etwas passiert ist! – Allerdings kann ich mich auch noch an eine heftige Reaktion im RMG-Chemiesaal erinnern, als Herrn OStR St. das ins Wasser geworfene Lithium knallend an die Decke sprang, und an metallisches Quecksilber, welches Herrn OStR He. vom Tisch im RMG-Physiksaal gerollt war und auf pragmatischen Rat von Herrn StD Schm. durch große Mengen Schwefelpulver gebunden wurde.

  5. Walter von den Driesch sagt:

    Ich habe Michael Müllers tolle Geschichte mehrfach gelesen und immer mehr darin entdeckt; und auch über meinen eigenen und die Beiträge anderer nachgedacht. Es ist sehr, sehr viel Zeit ins Land gegangen seitdem. Bei zahlreichen der geschilderten Ereignisse wäre heute „die Presse“ dabei, wären Schulräume und Schwimmhallen geschlossen, Lehrer als verantwortungslos in die Öffentlichkeit gezerrt worden u.v.a.m. Aber damals? Mein jüngerer Bruder z.B. legte damals ein langes dünnes Brett zwischen zwei Mauern des Zugangsbereichs des Bunkers Eupener Straße und versuchte, mit seinem Fahrrad darüber zu fahren. Er stürzte ab, schlug sich das Kinn auf, fuhr stark blutend mit dem Fahrrad nach Hause, mein Vater fuhr mit ihm zum Marienhospital, wo die Wunde versorgt und genäht wurde. Zwei oder drei Wochen später, die Fäden waren gerade gezogen, versuchte er es erneut; mit dem gleichen „Erfolg“. Aber er fuhr gleich mit seinem Fahrrad zum Marienhospital und fragte nach Dr. Coester, der – wohl seufzend – eine parallel verlaufende Naht setzte. – Chapeau! – A propos Bunker: die „Bande“, der ich angehörte, hatte ein Loch unter einer Brettertür in diesen Bunker gegraben, um „Totenköpfe zu finden und freilaufende Ratten zu beobachten“. Meine Mutter wusste immer, wenn ich verbotenermaßen mal wieder im Bunker gewesen war. Sie roch es wohl, weil sie sich noch erinnerte, wie es einige Jahre zuvor in Bunkern gerochen hatte, in denen sie selbst überlebt hatte.
    Haupttätigkeit der „Bande“ war, Mädchen, mit denen man ansonsten unschuldigerweise nichts anzufangen wußte, mit ihren sehr langen Zöpfen – z.B. Ingeborg, wohnhaft im Hinterhaus der Fischhandlung neben der Stern-Apotheke am Krugenofen – an Bäumchen auf dem Spielplatz Eupener Straße anzubinden; und irgendwann auch wieder loszubinden. Und dann gab es noch die wunderschönen Pf.-Töchter aus dem Neubau zwischen der alten Gasolin- und der neuen Shell-Tankstelle gegenüber der kleinen Aral-Tankstelle. „Die“ waren älter als „wir“; aber wir schauten ihnen sehr gern nach.

  6. Dirk Domurat sagt:

    @ Michael Müller, ich kann mich ihrem Beitrag nur anschließen… Es war eine „geile“ Zeit damals. Ich bin Jahrgang 1957. Liebe Grüße
    #7Karl-Heinz Grignar(Samstag, 24 Januar 2015 09:07)
    Jg 1948 wohnte krugenofen 47 burtscheider seite spielte im ausgebombten st gregorius spielplatz bunker eupener str sprangen auf güterzüge richtung belgien kennt das noch einer
    khgrignar@t-online.de

  7. Karl-Heinz Grignar sagt:

    Jg 1948 wohnte krugenofen 47 burtscheider seite spielte im ausgebombten st gregorius spielplatz bunker eupener str sprangen auf güterzüge richtung belgien kennt das noch einer
    khgrignar@t-online.de

  8. Jürgen Egener sagt:

    @Walter von den Driesch – Dein Name sagt mir was – aus unserer Kinderzeit! Bin Jürgen Egener, Jahrgang 04/1955 und wohnte erst in der Kapellenstraße 70, später in der Bendstraße. Klar, ich war Meßdiener in Sankt Michael.

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