Logenplatz beim Kinosterben
Als im Jahr 2001 das Gebäude des Bavaria-Kinos am Holzgraben an einen stadtbekannten Investor verkauft wurde, um dann per vermeintlich vorsichtigem „Handabbruch“ letzten Endes doch dem Erdboden gleichgemacht zu werden, damit ein maßgeschneidertes Gebäude für die Modefirma Esprit errichtet werden konnte, hatte ich mein Büro direkt nebenan, im Dachgeschoß des ehemaligen „Café Vaterland“, heute McDonalds. Ein Logenplatz, fürwahr!
Ein Gerücht lautete, daß man angeblich die sehr typische Fassade erhalten wolle, außerdem die Anlieger schonen wolle, deshalb der sogenannte Handabbruch. Hinter der Fassade alles kurz und klein zu machen, dauerte damit zwar etwas länger, war aber doch durchaus effektiv. Gelegentlich wurde die komplette Baustelle angefeuchtet, damit es rundum nicht so staubig wurde.
Unvergeßlich in diesem Zusammenhang ein warmer Sommertag, geöffnete Fenster in einem soeben von der Putzfrau tip-top gesäuberten Büro – und nach Rückkehr von einer kurzen Besorgung die dicke Staubschicht über allen schwarzen Möbeln und natürlich den Computern und anderen Elektrogeräten! Da hatte man das Anfeuchten wohl vergessen.
Irgendwann wurde dann begonnen, ebenfalls vorsichtig und stückchenweise, die oberen zwei Meter der Fassade abzutragen. Nanu, was war denn aus dem angekündigten Erhalt der Fassade geworden? Nun neigen Geldgeber von Baustellen ja nicht dazu, die monatelang von Lärm und Schmutz betroffenen Anlieger zu informieren, man wußte also nichts Genaues nicht…
Und dann kam der ganz besonders unvergeßliche Tag, als mein Arbeitsplatz mit gefühlten 12,5 auf der Richterskala bebte… Der von Herrn Bannwarth wahrscheinlich auch.Beim Blick aus dem Fenster (Logenplatz!) bot sich dann dieses Bild:
War doch unglücklicherweise beim vorsichtigen Handabbruch die ganze schöne Fassade umgekippt… Schade aber auch!
Na ja, und wie es dann in Aachen manchmal plötzlich ganz einfach geht, wenn die richtigen Leute die richtigen Leute kennen, war schwupp-di-wupp der komplette Schutt weg und das neue „Esprit“-Gebäude fertig.
Merke: auch Aachener Investoren sind nicht blond, äh, blöd!
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Uschi Ronnenberg, geboren 1959, lebt in Aachen seit Beginn ihrer Volksschulzeit. Sie ist freiberufliche Grafik-Designerin mit einigen Zusatz-Skills, liebt die deutsche Sprache und ist vergnügte Patin des Wortes “Weiberkram”. Sie ist seit 2000 verheiratet mit Peter Hoch und 2004 vom Holzgraben in die Soers umgezogen.
2007 rief sie unser-aachen.eu ins Leben und ist seitdem auf Non-Profit-Basis und unter Ausnutzung aller sich bietenden Möglichkeiten beharrlich damit beschäftigt, Mitautoren sowie Aufmerksamkeit für die schönen Ameröllche zu gewinnen.
2019 erschien ihr Buch “Glücksorte in Aachen” im Droste-Verlag, 2023 in zweiter Auflage.