Öcher Schängche, Tant Hazzor & Co

Als am 21. August 2008 die Aachener Puppenspielerin Maria Schmitz im Alter von 97 Jahren verstarb, setzten sich bei mir fast vergessene Erinnerungen meiner Kindheit frei. Maria Schmitz führte 63 Jahre lang die schweren Stabpuppen vom Öcher Schängchen. Zunächst hatte sie 1925, im frühen Alter von 14 Jahren, bei der Aachener Puppenbühne begonnen Kostüme für Schängchen und Co. genäht. Etwas später durfte sie endlich spielen. Ihre erste Rolle war das „Gretchen“, danach ihre Paraderolle die Marktfrau „Tant Hazzor“.

schaengcheFoto: aachen.de

1921 wurden die „Aachener Marionettenspiele“ wie sie damals noch hießen, gegründet. Die erste Aufführung im Theater in der Hartmannstraße erfolgte am 04. Mai 1921 mit dem Stück „Der Teufel in Aachen“. Angekündigt wurde das Stück damals: „Großes historisches Puppenspiel mit Gesang, Tanz und Keilerei.“ Die Spielstätten wechselten häufig und der Zuspruch der Aachener Bevölkerung nahm stetig zu.

Meine erste Begegnung mit dem Aachener Puppenheld Schängchen hatte ich Ende der 60´er Jahre im Burtscheider Jugendheim Kalverbenden, wo die Puppenbühne seit 1954 untergebracht war. Als Schüler der Burtscheider Grundschule Michaelsberg Straße besuchte ich die Räumen des Jugendheimes Kalverbenden wo von der Polizei, mit aufgebauten Kasperltheater, die Verkehrserziehung stattfand .

An Sonntagen dufte, jeweils zu zwei verschieden Spielzeiten, das Schängchen mit seinen Freunden den fast immer ausverkauften Zuschauerraum unterhalten und belustigen. Da meine Eltern mit Frau Schmitz befreundet waren, durfte ich in der Pause voller Stolz hinter dem rechts neben der Bühne befindlichen schweren schwarzen Vorhang gehen und die Puppenspieler kennen lernen. Die Puppenspieler trugen alle weiße Kittel und ihr Arbeitsgerät. Die Stabpuppen, die noch vor wenigen Minuten in voller Aktion waren, standen leblos in ihren Halterungen. Die Puppenspieler saßen gutgelaunt in ihrer Spielpause meist an einem kleinen Holztisch, tranken Kaffe und aßen Kuchen. Für mich als Kind war das damals das Größte in diese Welt hinter der Bühne eintauchen zu dürfen und mit den Puppenspielern zu sprechen. Frau Schmitz spendierte mir eine Limmonade, stellte mir die Spieler vor, die sich mit mir in der Stimme unterhielten die mir von der Aufführung vertraut waren. Frau Schmitz ließ mich anhand der Stimme erraten welcher Puppenspieler welche Stabpuppe bediente. Doch das Größte war für mich die Stabpuppen anfassen zu dürfen und ihnen etwas ungeschickt Leben einzuhauchen. Vor „Tant Hazzor“ und natürlich dem „Schängchen“ hatte ich besonderen Respekt.

Viele Besuche sollten in den 60`er Jahren noch folgen und es war immer etwas Besonderes in der Pause den Spielraum hinter der Bühne besuchen zu dürfen. Manchmal wartete ich voller Ungeduld bis sich der schwarze Seitenvorhang in der Pause bewegte und Frau Schmitz in ihrem weißen Kittel hervorschaute und mich zu ihr winkte.

1982 erfolgte ein weiterer Umzug der Spielstätte in die zum Kulturzentrum umgebaute Tuchfabrik am Löhergraben.

Dort besuchte ich mit meiner Familie natürlich Schängchen & Co, um dieses Theater meinem kleinen Sohn Alexander vorzustellen. Frau Schmitz gehörte zwar Mitte der 90er Jahre nicht mehr zum Ensemble, aber auch mein Sohn durfte in der Pause, im Anfang noch etwas ängstlich, hinter die Bühne kommen.

In all den Jahren erlebten wir mit dem Schängchen und Co unvergessene Stunden. Für mich war in all den Jahren Frau Schmitz und „Tant Hazzor“ ein und dieselbe Person. Ihre Stimme passte zu 100% zur „Tant Hazzor“ und man konnte bei jeder Aufführung erleben, dass Frau Schmitz immer alles gab, die Stabpuppe zum Leben erweckte und den Spaß den sie selber beim Spielen hatte sich auf die zahlreichen Kinder und Eltern im Publikum übertrug.

1988, im Alter von 77 Jahren, verabschiedete sich Frau Schmitz von der Puppenbühne.

Für den Verein Öcher Platt brillierte sie als Mitglied im Verein Öcher Platt oft mit bester Mundart auf zahlreichen Veranstaltungen. Natürlich auch bei privaten Festlichkeiten, denen ich beiwohnen durfte, überzeugte Frau Schmitz mit bis heute unvergessenem Öcher Wortwitz und verschaffte mit ihren Vorträgen den Zuhörern große Freude.

Frau Schmitz sang gerne, trat später sehr oft bei der Burtscheider Arbeiterwohlfahrt auf und trat dem neu gegründeten Chor bei.

Da ist es nur mehr als gerecht und eine Anerkennung besonderer Art, dass Frau Maria Schmitz für die geleistete Arbeit im Bereich Öcher Platt aufgrund ihrer gekonnten Mundart mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet wurde.

Die unvergessene Frau Maria Schmitz mit ihrer „Tant Hazzor“, Schängchen und Co gehören sicherlich nicht nur zu meiner Kindheit.


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