Os kennt os: Der Knipp

Eigentlich wäre er lieber Studienrat geworden, aber die Zeiten, sie waren nicht so. So wurde er denn der größte Wirt Aachens. Und heute wird er 70, der große Heinz Ramrath vom „Knipp“. 2,02 Meter war er zu seinen besten Zeiten, heute sind es immer noch stolze 2 Meter.

Seine Frau Paula hat er denn auch im Klub langer Menschen kennengelernt. Den Sechzigsten haben die beiden noch gemeinsam gefeiert, denn eigentlich liegen sie nur fünf Tage auseinander. Aber diesmal feiert nur er, denn „wenn Frauen einmal 60 gesagt haben, dann bleiben die dabei.“ Auch so eine Weisheit, die man nur in der Schule des Lebens lernt.

Die Gaststätte besteht seit 1698. In eine solche Tradition wird man hineingeboren, besonders als einziger Sohn. Eigentlich war der Heinz vom ersten Tag an mit im Geschäft; schon als Schulkind mußte er in den Keller runter, die Theke bestücken und Gäste bedienen. So wuchs er langsam in die Aufgabe hinein, denn „so ein Lokal mit dieser Ausstattung können Sie ja nicht in fremde Hände geben“.

In den Keller mußten sie auch in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli 1943. Dieses Datum braucht Ramrath nirgendwo nachzuschlagen, denn als der Achtjährige wieder ans Licht der Phosphorbomben kam, war oben das Inferno, er selbst knapp dem Tod entronnen. Nur die Gewölbe unter der alten Brauerei, wo heute der Hirschgarten ist, hatten gerade noch standgehalten. Kaum waren die Leute raus, brachen auch sie zusammen.

Die Brauerei war schon dem Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallen, da mußten sie selbst alles kaputtschlagen, um Kupfer für den Krieg zu gewinnen. Am nächsten Tag hieß es, die Aktion sei eingestellt. Das war vielleicht das kurioseste Ende einer der vielen Aachener Brauereien. Ramraths Vater war damals beim Knipp in der Lehre, 1927 hat er das Haus gekauft.

Übergänge geschehen in dieser Dynastie fließend. So wie Heinz Ramrath in seine Aufgabe hineinwuchs, so machten es später auch die Söhne Heinz-Peter, der die Küche „schmeißt“, und Ex-Karnevalsprinz Franz-Dieter hinter der Theke. Die Eltern arbeiten immer noch mit, der Patriarch hilft im Hintergrund, dass der Laden weiter so brummt. Bekannte Namen waren da, Karlspreisträger, Showgrößen. Oft sind drei bis vier Prinzen am Abend da, Ex-Prinzen, versteht sich.

Eine Studentenkneipe ist das nicht gerade, hier verkehrt eher das wohlsituierte Bürgertum. Hierhin geht, wer auf Tradition hält. Und mancher, der es in der Welt zu etwas gebracht hat und irgendwann mal an die Stätte seiner früheren Gelage zurückkehrt, wundert sich nicht wenig, wenn er als erstes einen Blick hinter die Theke wirft: Der Herr Ramrath hat sich ja überhaupt nicht verändert! Bis dann der „richtige“ Herr Ramrath auftaucht und fragt: Habe ich denn früher auch schon so alt ausgesehen?

Im Juli 2005 wurde Heinz Ramrath, der Patron, 70 Jahre alt. Das wurde mit einem Riesenfest gefeiert. Alle, die in Aachen etwas gelten, waren da, um ihre Aufwartung zu machen. Irgendwann stand die Einladungsliste bei 350 Namen. Das bleibt nicht aus in den Jahren, denn wie der Aachener sagt: „Os kennt os“. Än der Knipp kenne vür allemoel.


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