Nicht so leicht im Exil
Als geborener Öcher im Exil habe ich mein Auto mit einem Aufkleber verziert, der das Signum Karls des Großen zeigt. Neulich sprach mich auf einem Parkplatz ein älterer Herr darauf an: „Was soll das denn sein? Eine Sekte?“
„Nein“, erwiderte ich, „das ist das Signum von Karl dem Großen. Ka – ro – lu – und hier das S“, ich zeigte auf die vier leicht zu erkennenden Buchstaben und dann das Häkchen, das das Monogramm gültig machte. „Das war seine Unterschrift, sozusagen. Ich bin in Aachen geboren.“
„Aha!“, rief der Herr aus. „Dann sind Sie also Öcher!“ Er schien stolz auf seine Kombinationsgabe zu sein, hatte aber die Aachener Bürgerbezeichnung wie eine besonders lange Möhre ausgesprochen: Öhhh-cher.
„Das stimmt“, antwortete ich ebenso stolz, ohne dann mein Insiderwissen für mich behalten zu können, „man spricht es aber kurz aus, so wie Löcher ohne Ludwig.“
Der Mann stutzte. „Beethoven hat aber in Bonn gewirkt, nicht in Aachen“, wollte er mich verbessern.
Ich verstand, was er meinte. „Nein, nein“, verbesserte ich ihn, „nicht Ludwig van Beethoven, sondern der Ludwig des Buchstabieralphabets.“
Der Herr legte seine Stirn in Falten. „Verwendet man dafür heutzutage nicht Ländernamen?“
Ich atmete einmal tief durch. „Dann eben Löcher ohne L wie Luxemburg“, gab ich nach.
„Aachen liegt aber noch nicht in Luxemburg, oder?“
„Wenn schon, dann Holland oder Belgien“, sagte ich genervt. „Aachen liegt im Dreiländereck, und da sind alle Bürger Europäer!“
„Holland ist falsch“, sagte der Herr. „Das muss Niederlande heißen. Holland ist nur eine Provinz.“
Da wollte ein Fremder mir, der ein Drittel seines Lebens im Aachener Raum verbracht hat, den Unterschied zwischen Holland und den Niederlanden erklären. Belachelijk!
„Wo spielt eigentlich die Alemannia?“, fuhr der Mann fort. „Von der habe ich schon lange nichts mehr gehört.“
Ich machte eine Faust in der Tasche. „Nicht mehr in der Ersten Liga“, sagte ich zerknirscht.
„In der zweiten aber auch nicht, oder?“, bohrte der Mann nach und gleichzeitig einen Stachel in mein Fleisch.
„Aber beim Reiten ist Aachen erstklassig“, konterte ich. „Der CHIO in der Soers ist weltberühmt!“
„Schlagen die dann in Ohhh-che auch ihre Pferde?“, fragte der Mann scheinheilig.
„Oche, kurz“, sagte ich tadelnd, „nein, bestimmt nicht.“
„Das finde ich nämlich grässlich“, presste der Mann hervor. „Noch schlimmer, als wenn man sich an harten Printen die Zähne ausbeißt.“
Jetzt war mir klar, dass er auf Krawall aus war. Er sprach mit einem fränkischen Akzent. Vielleicht war er Nürnberger und immer noch sauer darüber, dass die Alemannen seinen Heimatverein damals aus der Bundesliga gekickt haben. „Dann lagern Sie sie falsch“, konterte ich.
„Bestimmt nicht“, erwiderte der Mann, „jede Nacht in einem Glas mit Wasser und einer Sprudeltablette, genau wie mein Zahnarzt es mir gesagt hat.“
„Nein, ich meine nicht Ihre Zähne, die Printen. Legen Sie sie in eine Blechdose, dazu einen Apfelschnitz, dann werden sie weich wie Butter.“
„Ich mag die Printen lieber, wenn sie hart sind“, antwortete der Mann.
Endlich waren wir bei einer Gemeinsamkeit angekommen!
„Beim Kölner Dom ist das Gerüst jetzt weg“, stellte der Mann unvermittelt in den Raum.
Ach, halt die Klappe, dachte ich, antwortete aber nicht mehr, sondern fuhr davon, immer noch stolz auf den Aufkleber mit dem Signum von Karl dem Großen auf der Heckklappe.
Oktober 2021
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Geborener Öcher, Streichholzetikettensammler in seiner Jugend (siehe gleichnamiger Text), Abitur am Einhard-Gymnasium, Studium an der RWTH, Lehrer im Ruhestand, lebt in Rheinbach, spielt gerne mit Sprache, Verfasser zahlreicher Texte, darunter Romane und Kurzgeschichten, z.B. „Der Mann im Mais“.
Seine Seite im Netz: günterdetro.de
Au huur….!
Sehr schön.
Au Banan!
Mit solch Jesöcks muss man sich in der Fremde abgeben.
Beim bolzen hier habe ich, was die Alemannia angeht, aber einen der viel Mitgefühl hat. Ist nämlich Kickers Fan (Stuttgarter Kickers), der arme Herr.
P.S: habe selber den Klenkes, oder die Silhouette vom Öcher Stadtbild (Dom/Rathaus) an den Autos kleben.
Karolus hatte ich als Student.
Ja es ist nicht so leicht im “Exil”.. Erinnere mich als ich nach Karlsruhe umsiedelte und in der Bäckerei nach Reis- oder Aprikosenfladen Ausschau hielt. Die Nachfrage beim Metzger nach einer Mettwurst für die Erbsensuppe verlief ebenfalls im Sande .. Die Resonanz auf Herkunft Aix la Chapelle in Frankreich war überraschent erfreulich und auch gleich mit dem Namen Charlemagne verbunden der dort im kollektivem Gedächnis als Franzose gilt :- ))