Das Bahkauv
Warum das Bahkauv eine ausgeprägte Abneigung gegen volltrunkene Spätheimkehrer hatte, ist nirgendwo zu lesen. Die Legende erzählt nur, dass am Büchel, wo das 53 Grad heiße Thermalwasser der Kaiserquelle mehrere Bäder versorgte, besonders abends und nachts eine dampfende Atmosphäre herrschte. Diese Nebelschwaden ließen die Betrunkenen richtungslos durch die Gegend torkeln.
Das Bahkauv, Bachkalb würde man auf Hochdeutsch sagen, das wahrscheinlich zu den Geistern gehörte, die erst nach Mitternacht aktiv werden, fühlte sich vielleicht gestört durch diese Gesellen. Oder es wollte nur ein bißchen spielen. Jedenfalls, so die Überlieferung, sprang es den Zechern auf dem Heimweg ins Genick, so dass die einen gehörigen Schrecken bekamen.
Es geschah ihnen sonst kein Leid. Jedenfalls ist von ernsthaften Verletzungen nie die Rede gewesen. In manchen Geschichten steht, dass das Tier ordentlich mit Ketten rasselte, damit die ganze Straße hörte, dass der Ehemann wieder volltrunken aus dem Wirtshaus kam.
Die Nachbarn werden ihre Schadenfreude gehabt haben, wenn die aufgebrachte Gattin wutentbrannt die Haustür öffnete und den Mann ins Haus zerrte.
Vielleicht hätte die Frau mit ins Wirtshaus gehen sollen? Aber drinnen waltet die kluge Hausfrau, heißt es schon bei Schiller, und so werden wohl die Aachenerinnen brav zu Hause bei den Kindern geblieben sein. So steht denn auch nirgendwo, dass das Bahkauv jemals einer Frau ins Genick gesprungen wäre.
Die Männer hingegen, die schon immer ihren Kummer mit Alkohol hinunter spülen mussten, waren gezwungen, in die Kneipe zu gehen, weil es zu Hause weder Bier noch Schnaps gab. Am Stammtisch fanden sie Trost bei ihren Skatbrüdern. So wurde in geselliger Runde gezecht, bis der Bierdeckel voll und das Portemonnaie leer war. Das war dann die Stunde des Bahkauvs, das aber nach seinem gespenstischen Treiben wieder im Nebel verschwand.
Am helllichten Tage wurde es nie gesehen. Darum musste der Bildhauer, der die Aachener mit einem Bahkauv-Brunnen beglücken wollte, auf seine Vorstellungskraft zurückgreifen.
Das erste Kunstwerk, das 1905 geschaffen worden war, fiel dem Rüstungswahn des zweiten Weltkrieges zum Opfer.
Seit 1967 fletscht nun die Bronzeplastik, die von Kurt-Wolf Borries geschaffen wurde, die gefährlich aussehenden Eckzähne, während der Schwanz des Reptils aus vielen Düsen Wasser rinnen lässt. Trotzdem hat das Untier für die Menschen, die heute vorbeischlendern, seinen Schrecken verloren. Und an warmen Tagen erfreuen sich die Kinder an der Wasserpfütze, die sich am Boden des Denkmals bildet.
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Inge Gerdom, geb. Schieren, Jahrgang 1940, wohnt in Aachen-Brand seit 1973. Studium an der PH Aachen und an der Fernuniversität Hagen, Sonderschullehrerin bis 2005, zwei Söhne (1964 und 1966), zwei Enkel, eine Enkelin.
Seit der Pensionierung:
Aquarell- und Acrylmalerei, von 2000 bis 2013 acht Ausstellungen
Seit 1997 bei „Senioren schreiben für die AN“
Seit 2008 Autorin und Mitglied der Redaktion in SENIO
Seit 1997 ehrenamtlich tätig in der Bücherei des Marienhospitals
Seit 2012 ehrenamtlich tätig bei der AWO Brand (Kurs Gehirnjogging)
2 Kinderbücher (Geschichten vom Leuchtturmwärter Hein) herausgegeben, die in Zusammenarbeit mit den Enkeln Paul und Moritz entstanden sind (erschienen im Kirsch-Verlag 2012 und 2013)