Der Aachener Hauptbahnhof im Wandel der Zeit
Die Epoche der Eisenbahn begann in Aachen am 1. September 1841 mit der Eröffnung der Strecke von Köln nach Aachen. 1843 ging mit der Strecke von Aachen nach Antwerpen die grenzüberschreitende Bahnstrecke in Betrieb. 1901 begannen die Arbeiten an dem Empfangsgebäude des Bahnhofs. Die Fassade des Gebäudes erhielt eine Natursteinverblendung. Die Fenster besitzen romanische Anklänge, die größeren, insbesondere das der Empfangshalle, sind als Thermenfenster ausgeführt. Der Giebel der Eingangsfront trägt eine Maske und die Bahnhofsuhr, darüber findet sich ein Hochrelief mit dem Adler des Preussischen Wappens (Krone, Zepter, Reichsapfel und ein stilisiertes FW im Herzstück für Friedrich Wilhelm I).
Im Inneren wird der Festungscharakter durch gedrungene Säulen mit kräftigen Reliefkapitellen, die das Gewölbe der Eingangshalle tragen, fortgeführt. Im Bildprogramm finden sich Motive der Eisenbahn wie auch historische Themen. Lebhaft bunte, florale Malereien und mosaikhafte Wandverkleidungen bildeten eine Symbiose aus neuromanischen und Jugendstil-Wandgestaltungen. Vom Aachener Hauptbahnhof,der größte der vier Aachener Bahnhöfe (Rothe Erde, West- und Nord-Bahnhof), führen Gleise in drei Hauptrichtungen, die vom Personenverkehr nach Köln, Düsseldorf und Brüssel genutzt werden. Aachen ist heutzutage der letzte deutsche Haltebahnhof für den Höchstgeschwindigkeitszug Thalys, der täglich sechs Mal nach Paris Gare du Nord fährt. Für die Strecke Aachen Paris benötigt der Thalys lediglich 3 Stunden und 12 Minuten.
Mit dem am 21. Dezember 1905 eingeweihten Aachener Hauptbahnhof verbindet mich sehr viel. Er zieht mich schon seit meiner Kindheit magisch an, dies hatte mehrere Gründe:
Mein Opa Karl arbeitete dort in der Fünfziger Jahren als Bahnpolizist in einer leitenden Funktion, zu einer Zeit, als ich noch nicht geboren war. Am Montag, den 12. Juli 1954, es war ein sehr heißer Sommertag, machte er kurz vor 18.00 Uhr auf dem Bahnhof Rothe Erde seinen letzten Kontrollgang.Dabei fielen ihm Kinder auf, die auf den Bahngleisen spielten. Mein Opa betrat sofort die Gleisanlage und holte die Kinder von den Gleisen um sie vor dem herannahenden Zug zu schützen.Die Kinder konnten so in der letztren Sekunde die Gleisanlage verlassen.Nur für meinen Opa reichte die Zeit nicht mehr aus den gefährlichen Gleisbereich zu verlassen, er wurde von dem Personenzug erfaßt, über 35 Meter mitgeschleift und war auf der Stelle tot. Da ich erst 1960 geboren wurde habe ich ihn nie kennengelernt. Doch durch die Bilder und die vielen Geschichten, die mir immer wieder von meiner Mutter und meiner Oma über meinen Opa erzählt wurden, fühle ich mich trotzdem mit ihm vertraut. So zog mich der Bahnhof auch wegen meines verunglückten Opas noch zusätzlich an.
Ab dem Jahre 1957 fuhren zusätzlich auch die Dieseltriebzüge Trans-Europ-Express Moliere und Parsifal von Aachen nach Paris.1966 wurde der elektrische Zugverkehr zwischen Belgien und Deutschland aufgenommen.
Anfang der Sechziger Jahre fuhren meine Eltern mich im Kinderwagen auf die Burtscheider Brücke um von dort aus das Treiben im Hauptbahnhof besser betrachten und natürlich den Zugverkehr verfolgen zu können. Da zu diesem Zeitpunkt der Zugverkehr noch mit großen Dampflocks vollzogen wurde, war das Erlebnis groß auf der Brücke zu stehen und sich vom weißen Dampf und dem nach Kohle riechenden Qualm der ankommenden oder abfahrenden Züge einhüllen zu lassen.
Für Kinder geradezu unumgänglich war der Besuch der großen Modelleisenbahn in der Bahnhofsvorhalle, die auf einem ca. 6 x 6 Meter großem Landschaftsterrain gegen Einwurf ein paar Groschen ihre Runden drehte.Wie oft habe ich mir da an der Schaukastenscheibe die Nase platt gedrückt? Wenn man Glück hatte, warfen andere Eisenbahnfans Münzen ein und ich konnte zusammen mit meinen Eltern umsonst die Fahrt des Zuges geniessen.Doch es war etwas anderes, wenn man selber den Zug per Münzeinwurf startete, dann fühlte ich mich wie ein kleiner Zugführer, der für das Gelingen der Fahrt auf Zeit zuständig war. Natürlich wünschte ich mir zum nächsten Weihnachtsfest eine eigene Modelleisenbahn. Diese bereitete meinem Vater und mir viele schöne Stunden.
Auf der anderen Seite kauften mir meine Großeltern Georg und Maria des öftern eine Bahnsteigkarte. So war ich noch näher am Geschehen. Ohne diese kleine Karte aus dicker Pappe oder einem gültigen Fahrausweis,dufte der Bereich der Bahngleise nicht bertreten werden. Darauf achtete ein Bahnmitarbeiter in schmucker Uniform, der die kleine Karte vor dem Betreten entwerte.
Die Bahnsteighalle überspannte insgesamt vier Bahnsteige und zusammen sieben Gleisen, Auf jedem Bahnsteig befanden sich damals eine Wartehalle und ein Kiosk. Mit dem Erwerb einer Bahnsteigkarte fühlte ich mich ein wenig als Reisender, der jetzt noch in letzter Minute seinen Zug erreichen muss, der ihn in durch die weite Welt fährt.
Ich erinnere mich heute noch genau an ein besonders Ereigniss, dass ich auf dem Bahnsteig erlebt habe. Mein (anderer) Opa hatte sich auf dem Bahnsteig mit einem Verwandten verabredet. Das Besondere an der Geschichte war, der Verwandte, an dessen Namen ich mich heute leider nicht mehr erinnern kann, kam mit der Dampflok. Nein, er kam nicht nur mit der Dampflok er fuhr das riesige Dampfross. Da staunte ich nicht schlecht, als ich auf die Lok durfte, um für ein paar Minuten dem Heizkessel ganz nah zu sein und mal richtig Dampf abzulassen. Als der Lokführer mich dann noch mit seiner dreckigen, schwarzen Hand über meine Stirn streichelte, glaubte ich die definitive Lokführerauszeichnung erhalten zu haben. Das war eine tolle Überraschung von meinem Opa. Natürlich hatte ich mir bei der Kletteraktion meine Hose versaut. Doch Mutter hatte später nicht geschimpft. Später erzählt mir mein Opa, dass der Verwandte früher bei der Stolberger Glasfirma Vegla als Lokführer beschäftigt war und dort für den Transport der Glaszutaten zuständig war. Seine Lock steht heute noch in Stolberg als Denkmal auf dem Gelände von Saint Gobain.
In den Siebziger Jahren diente der Hauptbahnhof als Etappenziel für gelegentliche abendliche Spaziegänge, die ich mit meinen Eltern aus dem benachbarten Burtscheid vollzog.Meine Eltern waren stets um mein Wohlbefinden besorgt. Sie dachten ich hätte zu wenig Bewegung und frische Luft hat noch keinem geschadet. Damit ich trotzdem nicht die Lust an dieser besonderen Art der zusätzlichen Bewegung verlieren würde, lockte mein Vater mich mit dem großen Zeitschriftenladen im Bahnhof. Er wusste ganz genau, das dieses Argument immer ziehen würde, da im Bahnhof die von mir damals favorisierten Musikmagazine wie Pop, Popfoto, Musikexpress und Superposter bis heute stets einen Tag früher zum Verkauf angeboten wurden, als im normalen Zeitschriftenhandel. So machte ich auf dem Weg zu Bahnhof große Schritte, zurück nach Burtscheid, beim Lesen, etwas Kleinere. Auch heute kaufe ich meine Musikhefte im Bahnhof. So statte ich meinem Bahnhof regelmäßig einen kleinen Besuch ab.
Doch es gab nicht nur den Zeitschriftenladen, sondern auch ein Tabakgeschäft mit kleinen Geschenkartikeln und einer Lotto – Totto Annahmestelle. In diesem Laden deckte mein Vater sich öfters mal mit Rauchwaren ein. Mein Opa kaufte dort die berühmten dicken Handelsgoldzigarren, die er vornehm mit Pappmundstück verqualmte.Ich erinnere mich auch noch an ein kleines Blumengeschäft, das von mir immer zu Muttertag aufgesucht wurde. Ein legendärer Paßbildautomat war ebenfalls in der Bahnhofshalle aufgebaut. Der erstellte eigentlich BIlder, die nicht zu gebrauchen waren. Für Spaßbilder war das Gerät genau richtig. Ich weiss genau wieviele Personen in die enge Kabine und wirklich auf das Passbild passen.
Die Geschäfte waren in der Bahnhofshalle um die Bahnhofsschalter verteilt angelegt. In den folgenden Jahren wurde der Bahnhof, der im Zweiten Weltkrieg im Herbst 1944 bereichsweise zerstört wurde, immer wieder umgebaut und teilsaniert. Doch so richtiges Weltstadtflair wollte bei dem im Jugendstil gehaltenen Bahnhofbebäude noch nicht entstehen.
Erst bei der vorerst letzten Renovierung konnte am 17. August 2006 der Aachnener Hauptbahnhof im neuen Glanz erstrahlen. Dabei wurde unter anderem die Abhängung der Decke entfernt und der Zugangstunnel zu den Gleisen renoviert. Für den behindertengerechten Zugang zu den Bahnsteigen wurden Aufzüge eingebaut.
Da der Aachener Bahnhof zur Bahnhofskategorie 3 gehört, wurde in Aachen die erste technische 3-S-Zentrale der Deutschen Bundesbahn im Rahmen einer Verkehrszentrale in Betrieb genommen. So wurde ebenfalls das Shopangebot um ein Schnellrestaurant, einem Cafe, einem Bäcker, einem Drogeriemarkt, einem Tabakladen und dem für mich unverzichtbaren Zeitungsladen erweitert. Nach 6 jähriger Umbauphase konnten im dem völlig umgestallteten Bahnhof die Zuggäste der Weltreiterspiele in Aachen begrüßt werden. Zusammen mit dem völlig neu gestallteten Bahnhofsvorplatz gibt Aachen seinen Gästen eine tadellose Visitenkarte ab, egal wo und wie das Pferdedenkmal aufgestellt wird.
Auf diesen Bahnhof, der nun endlich seine Trostlosigkeit verloren hat, kann man als Öcher ein wenig Stolz sein. Der Aachener Hauptbahnhof ist heutzutage so schön, dass der Reisende gerne ankommt, aber Aachen nicht gerne verlässt.
Für mich gehört der Aachener Hauptbahnhof zu Aachen, wie der Tivoli, der Dom, das Rathaus, CHIO, die leckeren Printen und der Europaplatz. Aber das ist eine andere Geschichte, die hier auch nachgelesen werden kann.
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Uwe Reuters wurde 1960 in Aachen geboren. Nach einer Banklehre arbeitete er in seiner Freizeit als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Musikmagazinen und war in den 80ern und 90ern als Manager für verschiedene lokale und nationale Bands tätig. 1995 moderierte er für kurze Zeit die Musiksendung „Danger Zone“ bei Radio Euro. 1996 erschien sein erstes Buch „Easy Livin’” über die Band Uriah Heep, bis 2007 veröffentlichte er neun weitere Jahresbücher über Uriah Heep. Unter der Adresse futterfuerdieaachenerohren.blogspot.com schreibt er zahlreiche Berichte über die Aachener Schallplattengeschäfte von den 60er Jahren bis heute.
Seit 1996 führt Uwe Reuters in Burtscheid eine Anlage- und Vermögensberatungsfirma.