Henger Herrjotts Fott

Immer wenn ich zur Physiotherapie gehe, komme ich hier vorbei, an dem kleinen Platz am Ende der Wirichsbongardstraße. Der Aachener nennt ihn liebevoll „Henger Herrjotts Fott“ und dieser Name steht auch auf dem Straßenschild, das dort im Jahr 2003  aufgestellt wurde. Es handelt sich hier um die mundartliche Bezeichnung des Viertels hinter der Kreuzigungsgruppe, steht weiter auf diesem Schild. Versucht man den Namen wörtlich zu übersetzen, dann heißt dieses Viertel „Hinter dem Allerwertesten des Herrn“.

Der Öcher spricht von „Herrjott“ oder „Herrjöttche“ und meint damit den lieben Gott. In Aachen hört man auch schon mal „Osen Herrjott is jarnitt esue!“ Er drückt auch schon mal ein Auge zu und meint es doch gut mit den Menschen. Und mit „ Fott“ oder  „Föttche“ bezeichnet der Öcher das Hinterteil oder Gesäß.

In der Mitte des Platzes steht die Kreuzigungsgruppe, geschaffen von Bonifatius Stirnberg. Früher stand hier ein hölzernes Kreuz (seit 1792) und auch damals hieß die Gegend schon „Henger Herrjotts Fott“. Der Ausdruck stammt  aus einer Zeit, als die inneren Grabenringe noch die Stadt Aachen begrenzten. Die feineren Leute wohnten in der Stadtmitte um Markt und Domviertel herum. Hinter der Kreuzigungsgruppe wohnten die ärmeren Leute. Auf die  Frage nach ihrem Wohnort hätten die weniger Begüterten geantwortet: „Henger Herrjotts Fott“.

1897 wurde das Holzkruzifix durch eine steinerne Kreuzigungsgruppe ersetzt, die in den Kriegswirren verloren ging. Seit 1986 gibt es den Verein „Henger Herrjotts Fott“ e. V., der es durch Spenden ermöglichte, die heute vorhandene Kreuzigungsgruppe 1987 aufstellen zu lassen.

 

Die Bürgergemeinschaft „Henger Herrjotts Fott“, richtet  jedes Jahr ein Sommerfest auf dem kleinen Platz aus, zuerst mit einem Gottesdienst und dann folgen Musik, Speis und Trank.

Von der „Fott“ wird in Aachen aber auch in anderen Zusammenhängen gesprochen. So sagte einmal ein STAWAG-Mitarbeiter zu meiner Schwester, die damals in einem schlecht isolierten Bruchsteinhaus wohnte: „Fräuchen, Se heizen hier aber auch  vör de Fott“!

 

Mein Onkel, stolzer Besitzer eines Schrebergartens hatte für jeden seiner Gartenfreunde einen Spitznamen, einer hieß „de Fott“, weil er beim Arbeiten im Beet immer den Allerwertesten halb aus der Hose rausgucken hatte.

Und als ich mich  mit meiner Nichte darüber unterhielt, wie schade es ist, das die Jugend von heute kaum noch Öcher Platt versteht  oder spricht, sagte sie ganz stolz: “Ich kann ein Lied auf Öcher Platt!“ und dann sang sie im schönsten Platt „ Et floeg en Fott nohjen Daach erop!“ Ich konnte es kaum fassen! Meine Schwester hatte ihr bei langen Autofahrten in den Urlaub immer Lieder vorgesungen und dieses alte Öcher Lied war auch dabei und hat bleibende Spuren hinterlassen.

Viele Öcher singen „Et floeg en Fott nohjen Daach erop“, dabei muss es richtig heißen: „Et floeg en Popp nohjen Daach erop“, beschreibt das Lied doch die Arbeit der Dachdecker, die früher aus Stroh Puppen flochten, mit Tuchfetzen ausstopften und ihrem Kollegen zum Dach hinaufwarfen, wo sie als Unterlage für die Dachziegel Verwendung fanden.

Et floeg en Popp nohjen Daach erop,
die wor met Hoddelen opjestoppt,
et floeg en Popp nohjen Daach erop.

Die Popp floeg wier deä Kandel aan,
deä Kandel wier dat Pöppche aan,
et floeg en Popp nohjen Daach erop.

Die Popp, die hau sich wieh jedooe,
deä Kandel, deä wor schozzelsbloe,
et floeg en Popp nohjen Daach erop.

Diesen Liedtext und viele andere Alt-Aachener Lieder findet man im „Öcher Liederbuch“ von Meinolf Bauschulte und Richard Wollgarten.

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6 Antworten

  1. Richard Braun sagt:

    Liebe Hanne,
    ein wunderbares Beispiel lokaler, deftiger Mundart. Du stehst in prominenter Nachfolge: Martin Luther! Weiter so!
    Viel Schaffensfreude weiterhin und herzliche Grüße
    Richard

  2. Was heißt übersetzt: Leck mich am Mola

  3. Rosemarie Charl sagt:

    Liebe Frau Follmer,
    ich kenne das Lied auch als “Et floeg en Fott …”. Ich habe mir sagen lassen, “Fott” sei ein einfacher, selbst gebastelter Ball, mit Lumpen ausgestopft, was – wenn diese Bedeutung stimmt – ja auch Sinn machen würde.
    Herzliche Grüße
    Rosemarie Charl

  4. Anette Will sagt:

    Da ich in Aachen meine Kindheit verbracht habe, freue ich mich über diese Öcher Mundart. Höre sie sie immer gerne und schmunzele über manche Versen. Die Worte wie leck mich am mola sind mirvertraut. Auch der Wortlaut “och herm noch”” läßt mich schmunzeln. Leider bin ich schon seit 1965 nicht mehr in Aachen. Freue mich immer auf das Klassentreffen , woran ich gerne teilnehme.

  5. Annemarie Jennes sagt:

    Hallo Frau Follmer,
    ich lese mal wieder einige Kurzgeschichten. Ich muss sagen, alle gefallen mir. Schöne Erinnerungen die da wach werden. Nun zur Fott. Ich kenne das Lied natürlich auch. Früher haben die Kinder beim Schlachten oftmals die Schweineblase bekommen um damit “Ballspielen” zu können. Diese Blase wurde dann mit allerlei Kleinteilen gefüllt. Unter anderem auch Stoff- oder Lumpenreste. Oftmals gerieten dann die “Bälle”, wenn sie denn hoch genug geschossen wurden, in die Regenrinne und mussten mühevoll von dort wieder auf die Straße geholt werden. So lauten die Erklärungen zur Fott, die ich früher erhalten habe. Wie dem auch sei, der Text passt zu beiden Dingen.

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