Der Westpark – damals und heute

Geht man den Karlsgraben entlang, trifft man bei der Hausnummer 55 auf ein altes, prächtiges Tor. Es steht zwischen einfachen Mietshäusern und schnell ist man achtlos daran vorbeigegangen. Nur wenige wissen, dass dieses „Prunktor“ aus dem Jahre 1770, gebaut von Joseph Moretti (bedeutender Aachener Barockbaumeister), einst die Zufahrt zur Villa des Tuchfabrikanten Heinrich van Houten war, hinter der einer der schönsten und größten Gärten die Aachen damals vorzuweisen, lag.

Villa und Tuchfabrik wurden im Jahr 1857 von Johann Friedrich Lochner übernommen, das Haus hieß nun „Villa Lochner“, der Garten war 2300 qm groß. Es muss sich um einen wunderschönen Barockgarten mit Teich gehandelt haben, der vom Johannisbach durchflossen wurde. Der Sohn von F. J. Lochner, Emil Lochner, ließ im Rahmen einer Fabrikerweiterung den Teich zuschütten, der Johannisbach verschwand im Untergrund und quer durch den Garten entstand die heutige Lochnerstraße.

Wohl um den Verlust auszugleichen unterstützte Emil Lochner wenig später finanziell die Anlage eines zoologischen Gartens und legte damit den Grundstein für den heutigen Westpark.

(Wer mehr über die Villa Lochner und den Garten nachlesen möchte, der findet Informationen im Buch „Alt-Aachener Gärten“ von Bodo von Koppen)

Emil Lochner gründete eine „Aktiengesellschaft zur Errichtung eines Zoologischen Gartens“ auf dem Gelände „Kirschbenden“ vor dem Junkerstor.  Im Jahre 1882 wurde der Zoo eröffnet. Man konnte damals Löwen, Elefanten, Dromedare, Bären, kleinere Tiere und Vögel bestaunen.  Es gab eine Glashalle mit Restaurant und an den Wochenenden spielte oft eine Militärkapelle mit Blasmusik auf. Ein Ausflug in den Zoo war ein besonderes Erlebnis für die ganze Familie!

Leider bestand dieser Zoologische Garten nur 23 Jahre, 1905 schloss er aus wirtschaftlichen Gründen schon wieder seine Pforten.  Die Tierpflege, die Futterkosten und der Unterhalt der Anlagen waren zu teuer. Die Glashalle diente im 1. Weltkrieg als Lazarett, wurde aber 1917 bei einem Brand vernichtet.

Die Stadt Aachen übernahm das Gelände, ließ es gärtnerisch umgestalten und eröffnete doch 1920 den Westpark. Auch jetzt gab es wieder eine große Halle mit Gaststätte  und Bühne. 1935 startete man erneut den Versuch einen zoologischen Garten anzulegen. Der „Pflanzen- und Tiergartenverein“ legte einen kleinen Tiergarten mit hauptsächlich heimischen Tieren an. Mein Vater (geb. 1931) kann sich noch daran erinnern; an die Käfige auf der kleinen Westparkinsel und an die Reste des alten Bärenzwingers, auf denen er als Kind rumgeklettert ist.

Im Mai 1944 wurden der Tierpark und die Westparkhalle durch Bomben zerstört, die letzten überlebenden Tiere wurden nach Ulm in den Zoo verkauft.

(Mehr nachlesen über den Zoologischen Garten im heutigen Westpark kann man hier: Aachen so wie es war, von Helmut A. Crous (1971) und Aachen so wie es war, von Holger A. Dux (2011))

Heute findet man keine Tiergehege mehr im Westpark. Die einzigen Tiere sind die Enten auf dem Weiher und die Vögel in den Bäumen und Sträuchern (mal abgesehen von Insekten und anderem Kleingetier). Der Park ist eine Wohlfühloase für alle. Junge Mütter mit ihren Kindern besuchen gerne die beiden Spielplätze, ältere Jugendliche nutzen den Bolzplatz, den Basketballplatz oder die Tischtennisplatten. Im Sommer dient die vordere Wiese (Ausgang Gartenstraße) als Liege- und Sonnenwiese, die hintere Wiese (Ausgang Welkenrather Str.) dient als Grillwiese. An warmen Sommerabenden steigt der Qualm der Holzkohlengrills zum Himmel auf und es riecht im ganzen Park nach gegrillten Würstchen und Fleisch.

Überall sitzen Gruppen von Studenten, jungen Leuten und Familien und genießen das Freiluftgrillen. Oft steht neben dem Grill ein Kasten oder ein Fässchen Bier. Manchmal spielt jemand auf seiner Gitarre, andere spielen auf der Wiese nebenan Federball oder ähnliches. Im nahegelegenen Aldi oder Kaufland deckt sich mancher noch mit fehlenden Getränken oder Grillgut schnell ein.

 

Das Grillen im Westpark ist ausdrücklich erlaubt, man sollte sich nur an ein paar Regeln halten. Ich empfehle jedem, einmal an einem schönen Sommerwochenende abends durch den Westpark zu spazieren, es ist ein Erlebnis!

Als meine Kinder noch klein waren, haben wir oft die Spielplätze im Westpark besucht oder haben die Enten auf dem Weiher mit altem Brot gefüttert. Heute sind am Ufer Schilder aufgestellt, die darauf hinweisen, dass das Entenfüttern zu unterlassen ist, weil das Ökosystem dadurch gestört wird und es zu Fäulnisprozessen im Wasser durch aufgeweichtes Brot kommen kann.

Zu meiner Entschuldigung kann ich heute nur sagen, dass meine Kinder das meiste trockene Brot bereits auf dem Weg zum Westpark „geknabbert“ haben und nie sehr viel für die Enten übrig geblieben ist!

Seit einigen Jahren findet im Sommer  auch „Sport im Park“ auf einer Wiese im Westpark statt und wird gerne von den Aachenern angenommen. In diesem Jahr kann jeder das kostenlose Sportangebot in der Zeit vom 2.6. – 14.7.18 wahrnehmen. Nicht nur im Westpark, sondern in vielen Aachener Parks wird Wirbelsäulengymnastik, Qi Gong, Fitness, Nordic Walking u.a. angeboten. Auch außerhalb dieser Aktion sieht man regelmäßig Jogger und Joggerinnen ihre Runden durch  den Park laufen.

Einmal im Jahr findet der „Westparkflohmarkt“ statt, dann kann jedermann kostenlos einen Stand im Park aufbauen und seine „Flohmarktware“ anpreisen.  Es ist ein Flohmarkt von allen für alle! Man findet sehr viel Kinderkleidung und Spielzeug, aber auch Küchenutensilien und „Aue Pröll“. Ich habe mich in diesem Jahr reichlich mit Spielsachen eingedeckt, um meinem Enkel bei mir zu Hause eine Spielkiste einrichten zu können.

Der Westpark ist nicht besonders groß, doch er ist eine grüne Insel mitten in der Stadt. Schöne Grünflächen und viele alte, große Bäumen zeichnen ihn aus. Im Herbst ist es eine Freude für jedes Kind die in großer Zahl anzutreffenden Rosskastanien zu sammeln. Über eine kleine Brücke gelangt man auf die Insel im Weiher, auf der auch einige prächtige Kastanienbäume stehen. Von hier aus habe ich sogar mal einen Fischreiher im Wasser beobachtet. Im  Frühling kann man eine wahre Blütenpracht in den Beeten erleben.

Manchmal steht auf der vorderen Westparkwiese ein Zirkus- oder Theaterzelt.  Die Vorstellungen werden von jungen Familien mit kleinen Kindern gerne besucht.

Beim Rundgang durch den Park fallen einem die Hochbeete ins Auge, sie wurden im Sommer 2015 angelegt. Sie stehen inzwischen den Anwohnern zur freien Verfügung und sind z.T. liebevoll mit Gemüse und Kräutern bepflanzt worden.

Etwas weiter dahinter steht ein Fairtrade-Verteiler, er wurde mit Unterstützung der „Bleiberger Fabrik“ erstellt. Gemüsekisten finden darin ihren Platz und auch ein Kasten zur Aufnahme von Brot. Hier wird die Foodsharing-Idee umgesetzt, nämlich Lebensmittel die noch genießbar sind an andere kostenlos weiterzugeben anstatt sie wegzuwerfen.

 

Am Rande des Parks liegt das Altenheim St. Elisabeth. Die Bewohner/innen gehen soweit es ihnen möglich ist gerne durch die Grünanlagen spazieren. Die Terrasse des Hauses ist seit einiger  Zeit bei gutem Wetter von 12-17 Uhr für jedermann geöffnet. Hier kann man eine Tasse Kaffee oder ein kühles Getränk genießen.

Im Rahmen der Aktion „Aachen strickt schön“  und „Wir alle – gemeinsam leben am Westpark“(2014) wurden einige Bäume mit bunten Strickereien verschönert. In Zusammenarbeit mit Seniorinnen von St. Elisabeth wurde z. B. auch die Brücke im Westpark „eingestrickt“. Auch die Kinder der Grundschule Hanbrucher Straße haben Plexiglasinstallationen gebastelt, die heute noch in den Bäumen hängen.

Wenn man mit offenen Augen durch den Park geht, entdeckt  man immer wieder etwas Neues! Viele Radfahrer nutzen ihn als Abkürzung und durchqueren den Westpark auf ihrem Weg zur Arbeit oder nach Hause. Die Luft ist hier sauberer und der Straßenlärm verblasst.

Der Westpark ist ein echter Volkspark! Es ist ein lebendiger Park, er ist für alle da und wird von allen genutzt!


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2 Antworten

  1. Richard Braun sagt:

    Liebe Hanne,
    Du nimmst den Leser quasi an die Hand und führst ihn anschaulich mit Bild und Text durch den Westpark. Das Gewusel der Menschen, ihr Lachen und den Geruch von Grillgut kann ich sehen, hören, riechen. Mach’ weiter so: Aachen mit allen Sinnen erfahrbar machen.
    Richard

  2. Franz sagt:

    Bin auf der Vaalser Straße 37 geboren worden. Haben ganz oben gewohnt. Waren bzw. sind immer noch, 7 Kinder. Unten, neben dem Torbogen, war das Lebensmittelgeschäft “Vege” von Jacobi drin. Zum Westpark war es nur ein Katzensprung und als Kinder haben wir dort in den 60er immer gespielt. Kann mich noch gut an den Hügel erinnern. Als Kind war dies für mich, mal abgesehen von der “Sternwiese”, DER Schlittenabfahrtshügel. Oje, wenn ich mir den heute so angucke. wie mickrig einem dieser Hügel als Erwachsener doch vorkommt. Aber als Kind bin ich dort immer wieder heruntergerodelt. Ja, da gab‘s noch Winter mit Schnee in Aachen. Der Weiher war zugefroren und wir konnten darauf laufen und rutschen. Die heutigen Grillorgien im Westpark sehe ich allerdings nicht als besonders schön an. Eher im Gegenteil. Das ist für mich ein Schandfleck.

    Wer möchte kann sich auch mal meine beiden Videos zu Aachen anschauen. Eins ist in 2D, das andere sogar in 3D. 3D-TV vorausgesetzt:

    2D: https://www.youtube.com/watch?v=__BQuAsO9Z0
    3D: https://www.youtube.com/watch?v=HqN5opDjPwI

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